Die Meeresbrise liegt noch in der Luft, als sich vor uns hell schimmernde Sandberge auftürmen. Wir fahren hinein in das, was man „weiße Bettlaken“ – Lençóis Maranhenses – nennt. Und kurz darauf sind wir Teil dessen, was sich vor uns kunstvoll präsentiert – eine Landschaft die bewegt, und zwar im doppelten Sinne. Wüstenlandschaften wirken immer unwirtlich und irgendwie fremd. Ihr Minimalismus beeindruckt. Was man eben noch zu sehen geglaubt hat, verändert im nächsten Moment sein Erscheinungsbild. Dünen sind Getriebene des Windes.
Sandkörner legen sich auf meiner Haut ab, suchen sich jede freie Pore. Die Natur vereinnahmt alles, was fremd ist, was nicht hierhin gehört. Der Wind peitscht über die Dünenkronen, schiebt Kanten und Rundungen immer wieder zu neuen Formen zusammen. Wie Fontänen spritzen die harten Körner aus den Hügeln heraus. Das Spiel von Sonne und Wolken tut sein Übriges. Minutenlang verharre ich an einer Stelle und lasse die Natur sich um mich herum bewegen. Licht und Schatten überziehen die Dünen und setzen sie immer wieder neu in Szene. Spuren, die mich hierher führten, sind längst nur noch eine Erinnerung. Verweht wie ein unvollendeter Gedanke.
Kleine Lagunen, die mal blau, mal grün schimmern, je nach Lichteinfall, dienen als einziger Fixpunkt. Das warme, hüfthohe Wasser verdunstet zunehmend in der Hitze der Trockenzeit. 30 Minuten durfte ich mich allein in der Gewalt der Naturkräfte wähnen, als am Horizont zwei Familien auftauchen. Kinderstimmen durchbrechen die Geräuschkulisse des pfeifenden Windes. Die Familien zieht es an die Lagune. Sie spielen, genießen – während ein junges Pärchen ein Selfie nach dem anderen knipst, die Wüste als bloßes Setting für sich missbraucht.
Dieser Ort ist weniger für Menschen gedacht, als für sich selbst gemacht. Vögel überfliegen ihn in Formationen, zarte Stelzen stolzieren behutsam durch das flache Lagunenwasser. Der Rest sind Strukturen und Formen gefüllt durch den Willen der Natur. Wind, Wellen, Wolken – sie bewegen sich alle in eine Richtung wie in einer Zeitrafferaufnahme. Und immer begleitet durch ein Rauschen, das im Zusammenspiel mit der Landschaft berauscht. Die Natur tanzt zum Takt des Windes. Mein Kopf befreit sich von dem, was sonst Ablenkung verheißt. Dort, wo Überleben schwer ist, wo der heiße, wandernde Sand mir den Boden unter den Füßen wegzieht und mich zugleich tief eingräbt, wo Leichtigkeit auf Schwere trifft, wo Realität in Surrealität übergeht, fühlt sich Leben so wertvoll an und lässt zugleich Körper und Geist tanzen, als wäre alles ein sanfter Traum, aus dem ich eingehüllt im „weißen Bettlaken“ bald erwache.
Was man sonst noch wissen sollte?
- Tour in die Wüstenlandschaft von Atins aus in die Lençóis Maranhenses von 9 Uhr bis 14 Uhr für 70 Reais pro Person bei 2 Personen. Die Tour führt von hier aus meistens zur Capivara Lagune, die man in ca. 45 min erreicht. Der Geländewagen darf eigentlich nicht in den geschützten Nationalpark reinfahren. Daher wird man abgesetzt und läuft dann durch das Dünengebiet, worin aber auch der Reiz liegt.
- Auf dem Rückweg ist ein Lunch im Restaurante do Antonio eingeplant. Hier gibt es größtenteils Fischgerichte mit Reis und Bohnen.
- Viele Besucher Lençóis Maranhenses starten ihre Touren von der geschäftigeren Kleinstadt Barreirinhas.
- Guter Schutz für Kamera, der Sand arbeitet sich durch jede Pore.
- Übernachtung: Convento do Arcadia, Rua Esperança, 3, Povoado Atins
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Ich wurde auf meiner Reise durch den Nordosten Brasiliens von TAP Air Portugal unterstützt und vom Convento Arcadia nach Atins eingeladen. Der Inhalt meiner Beiträge bleibt davon unberührt.