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Lost Places – Weiße Häuser in Mecklenburg

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Es ist ein grauer Herbsttag, an dem ich durch die Wälder Mecklenburgs streife. Immer wieder stolpert man hier nicht nur über Geäst und Pilze, auch Ruinen längst vergangener Zeiten sind manchmal dabei.

Als ich das letzte Mal auf einer Radtour Rechlin durchquerte, fiel mir am Ortsausgang ein zerfallenes Gebäude auf. Dieses faszinierte mich so sehr, dass ich wieder zuhause angekommen mehr über Rechlin und seine Vergangenheit herausfinden wollte. Dabei fiel immer wieder meine Aufmerksamkeit auf die „Weißen Häuser“, die wohl versteckt im Wald zwischen Mirow und Rechlin liegen sollten. Über die genaue Lage findet man nur wenige Anhaltspunkte. Immer wieder öffnen sich als erstes seltsame Foren mit einschlägiger Gesinnung, auf die ich keinen Mausklick setzen wollte. Und so suchte ich selbst meinen Weg an diesem Sonntag zwischen Granzin, Teerofen und Qualzow – mitten im dichten Nadelwald, durch dessen Dach die schwachen Sonnenstrahlen nur noch wenig Licht zu schicken vermochten. Mich fröstelte es nicht nur angesichts der Temperaturen, sondern auch die Schilder in der Umgebung ermutigten mich nicht gerade dazu, diese vergessenen weißen Häuser aufzusuchen – denn diese mahnten zur Vorsicht – hier ist ein „munitionsbelastetes Gebiet!“

Ein Specht hackt stoisch auf einen Baumstamm ein. Ansonsten herrscht Stille. Allein durch den Wald irrend fühle ich mich ein wenig verloren auf der Suche nach einem dieser Lost Places. Ich suche vier Häuser, die ebenso kerzengerade in den Himmel ragen, wie es all ihre natürlichen Genossen im Wald tun. Während Kiefern, Eiche und Buche über sich hinaus wachsen, sind diese Betonbauten dem Zerfall ausgesetzt und irgendwie verloren.

Als ich von dem Eingang zum Erbsland, ein forstbotanischer Garten, der zu den ältesten forstlichen Anbauversuchen in Deutschland gehört, kommend noch einmal auf einem Forstweg rechts einbiege, sehe ich nur zweihundert Meter weiter linker Hand einen Turm hinter den schmalen Kiefernstämmen schimmern. Das müssen sie sein – die Testbauten für die einst von Hitler erträumte „Welthauptstadt Germania“, die als Versuchsobjekte für bombensichere Baumaterialien dienten. Auch wenn Germania nie in die Realität umgesetzt wurde, so sind diese Türme noch stumme Zeitzeugen im tiefen mecklenburgischen Wald, die zwar keinen Bombardierungen ausgesetzt sind, sondern natürlichen Kräften überlassen wurden.

Auf dem umzäunten Gelände der ehemaligen Luftwaffen-Erprobungsstelle Rechlin, die sich inmitten des munitionsbelasteten Gebiets befindet, stehen vier ca. 20 m hohe, viergeschossige Stahlbetonbauten aus den 40er Jahren. Ein Stück „Berlin“ im Nadelwald – man nannte sie Berliner Siedlung. Es ist eine seltsame Atmosphäre, die mich jedoch erst später am heimischen Computer erschaudern lässt, als ich mir ein Video ansehe, auf dem in den Weißen Häuser Hakenkreuzschmierereien zu sehen sind. Es gibt Orte, denen ein Zaun gut tut, nicht nur damit Gras drüber wachsen kann, sondern um sie genau vor diesem Wahnsinn zu schützen.

Wer mehr über die Geschichte erfahren möchte, kann sich im Luftfahrttechnischen Museum Rechlin informieren.

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