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Nationalpark Ranomafana und ein Slip voller Blutegel

Nationalpark Ranomafana

Wir sind nicht lang auf dem Vatoharanana Treck im Sekundärwald des Nationalpark Ranomafana unterwegs, da meint Dauphin, sein Freund hätte weiter oben im Wald eine Gruppe Lemure entdeckt. Es klingt recht zufällig, was unsere Spannung steigert. Wir nehmen die Abkürzung, um schnell da zu sein. Und tatsächlich arbeiten wir uns durch das Geäst vor und entdecken bald darauf die angekündigten Goldenen Bambuslemure. Das ist nicht unbedingt üblich, bedenkt man, dass es sich dabei um eine Säugetierart handelt, die eine amerikanische und deutsche Forscherin erst in den 90er Jahren hier entdeckten und die Anlass zur Gründung des 416 km großen Nationalpark Ranomafana waren. Der Park erstreckt sich heute von der Ostküste bis hinauf auf 1.417 m und schützt den Bergregenwald.

Nationalpark Ranomafana und ein Paradies für Lemure

Drei junge madagassische Wissenschaftler stehen mit ihren Notizheften neben uns. Sie beobachten die Bewegungsabläufe dieser Lemure. Kaum sind wir wieder zurück auf dem gut ausgebauten Wanderweg, da bewegen sich über uns Red fronted Brown Lemure. Während ich fasziniert fotografiere, erblickt meine Schwester einen riesigen Blutfleck an meiner Wade und fragt mich, ob ich irgendwo hängengeblieben sei. Meine gesamte linke untere Hosenhälfte ist in Blut getaucht, Schmerzen habe ich keine. Ich hätte doch etwas merken müssen. Kaum ziehe ich die Hose hoch, gesellt sich Dauphin zu uns. Im ruhigen Ton meint er eher beiläufig „Leeches“. Ich wiederhole fragend: „Blutegel?“. Ich war so ziemlich in allen möglichen Gebieten des Amazonasregenwaldes unterwegs und liebe den Urwald. Doch was sich bisher noch nie an meinen Körper festgesaugt hatte, waren diese wurmgroßen, ekligen Gefährten. Vielleicht habe ich sie bisher aber auch einfach schlicht nicht gefunden. Dauphin scheint sehr unbeeindruckt und wischt mir lachend den vollgesaugten Egel vom Bein. Die sind gut, erklärt er. Ich weiss auch, dass dieser Sauger durchaus positive Wirkungen hat: entgiftend,  blutgerinnungshemmend, antithrombotisch, gefäßkrampflösend schwirrt es mir durch den Kopf, und doch kann ich meinen ersten Ekel vor dem Egel nicht verbergen. Dann meint Dauphin, es hat geregnet, hier ist alles voller Blutegel. Und schon quietscht meine Schwester, weil sie auf und in ihrem Schuh lauter Blutegel entdeckt. Nachdem wir alle entfernt haben, laufen wir weiter und müssen noch einmal durch dichtes Geäst krabbeln. Denn inmitten des Waldes springen die Black white rufted Lemure über die Äste, wie Dauphin gerade wieder rein zufällig die Info von seinem Freund, dem Lemuren-Spotter, erhält. Man sieht diese Lemure nicht allertage und so sind wir ganz glücklich, mittendrin zu sein. Dieser strahlend weiße Lemur hat besonders flauschiges Fell und ist unser besonderes Highlight. Schnell vergesse ich meinen persönlichen Aderlass und bin wieder voll bei den Halbaffen.

Eine Hose voller Blutegel

Als ich wieder zurück auf dem Weg bin, rinnt erneut Blut über den beigen Stoff meiner Hose, dieses Mal im rechten Oberschenkelbereich. Ich frage Dauphin, ob ich die mir im Gebüsch geholt habe. Er lacht wieder und zeigt auf den gut ausgetreten Wanderweg, auf dem sich lauter kleine wurmgroße Egel kringeln und auf Beute warten. Immer wieder schütteln wir sie von unseren Schuhen, manche beißen sich besonders fest und arbeiten sich bereits wieder an meinen Beinen hoch. Bis in die Achselhöhle haben es zwei Exemplare geschafft. Gerade kann ich einen noch aus meinem BH ziehen. Jetzt beginnen die Biester zu nerven. Die sind ziemlich unbeeindruckt von meiner Bekleidung und arbeiten sich durch jede Stoffhülle. Dauphin zeigt uns auf unserem weiteren Weg zum Aussichtspunkt noch die Milne Edward Sifakas, doch wir sind bereits nur noch mit dem Abschütteln der Blutsauger beschäftigt. Kein Lemur dieser Welt kann uns jetzt noch beeindrucken. Das scheint Dauphin zu bemerken und schmeißt sich plötzlich unter vollem Körpereinsatz ins Gebüsch. Als er wieder aufsteht, hält er eine Schlange an seinem Körper – eine Water forest Snake um genau zu sein. Ob wir sie auch mal halten wollten, fragt er. Ich halte nicht viel davon, mit wilden Tieren zu posieren. Tiere sollte man nicht anfassen und so behalte ich es auch hier bei.

Auf der Aussichtsplattform treffen wir andere Wandergruppen, die Egelplage hat sie weit weniger erwischt. 1-2 Egel, manche haben keine. Ich frage mich, weshalb ich sie so anziehe. Haben sie mein Venenproblem bemerkt und wollen nur helfen? Da spüre ich schon eine Bewegung im Slip. Immer wieder versuche ich ihn auszuschütteln, weiß aber, dass die festgesaugten Egel sich nicht so leicht abschütteln lassen. Als wir erfahren, dass die nächste Etappe durch den Wald weiter voller Blutegel gesät ist, entscheiden wir uns umzukehren. Nach vier Stunden erreichen wir wieder den Eingang. Wir velegen den zweiten Teil der Wanderung auf den Nachmittag und wollen dann den Wasserfall von der anderen Seite, die trockener ist, ansteuern. Definitiv Blutegelfrei – verspricht uns Dauphin, als wir mit dem Taxi Brousse zurück in das Dorf fahren. Ich checke noch Mails, esse etwas, bevor ich meinen Körper inspiziere. Tatsächlich waren da kleine Egel im Schlüpfer am Werk und haben ihre Blutspuren hinterlassen. Längst sind sie vollgefressen abgefallen. Dennoch ist es ein komisches Gefühl. Die Flecken bleiben noch Tage als kleines Andenken.

Wanderung zum Wasserfall

Am Nachmittag wandern wir vom Ort aus zum 45 Minuten entfernten Wasserfall Andriamamovoka. Gleich hinter dem Ort überqueren wir den Fluss Namorona über eine provisorisch angelegte Brücke. Jährlich in der Regenzeit auftretende Zyklone reißen die Brücken immer wieder weg. Längst müsste auch dieses Jahr wieder Zyklonzeit sein, doch das Wetter spielt verrückt und so ist es auch hier trockener als gewohnt – zum Glück der Brücken. Viele gibt es davon nicht, meist durchqueren die Menschen ohnehin den Fluss einfach. Hinter unserem Bungalow ist beispielsweise eine solche Stelle, durch die die Dorfbewohner durchs hüfthohe Wasser schreiten. Nachdem wir die Brücke überquert haben, erscheint vor uns schon das Thermalbad. In Ranomafana gibt es heiße Quellen, die nicht nur von den Touristen gern aufgesucht werden. Nach warmem Wasser ist es uns gerade eher weniger. So lassen wir das Bad rechts liegen und laufen kurz darauf am Ferienhaus des Präsidenten vorbei. Gern würde ich den eigentlichen Palast des Präsidenten sehen, denn das Ferienhaus ist schon mächtig in die Tage gekommen und alles andere als repräsentativ.

Nun geht es noch ein Stück auf und ab, an terrassenförmig gearbeiteten Reisfeldern vorbei. Wie alles andere ist auch der Reisanbau mühevolle Handarbeit. An den Stauden am Weg hängen markierte Bananen. Dies soll dem Diebstahl vorbeugen, meint Dauphin. Tatsächlich wird gerade in den kurzen erntefreien Perioden doch häufiger mal Obst und Gemüse anderer auf dem Markt verkauft. Bald spüren wir einen feinen Wasserstaub in der Luft und aus der Ferne ertönt ein Rauschen. Dann sind wir plötzlich vor dem mächtigen Wasserfall, der nicht nur als Touristenattraktion, sondern auch als Energiequelle dient. Jeder Stromausfall wird von dem japanischen Wunderwerk aus den 80er Jahren abgefangen. Das macht sich selbst in unseren zwei Tagen, die wir bereits hier verweilen, bemerkbar. Der Strom ist immer nur für wenige Minuten weg. Auf dem Rückweg winkt uns ein Junge zu sich herbei. Hinter seinem Haus liegt ein großes Chamäleon, das er uns unbedingt zeigen möchte. Und tatsächlich sind wir mächtig beeindruckt. Kleine Chamäleons sehen wir häufiger, aber diese Größe ist schon gewaltig.

Frauentag in Ranomafana

Wieder zurück im Dorf wird eine Bühne auf dem Marktplatz aufgebaut. Morgen ist Frauentag. „Den habt ihr Deutschen uns gebracht“, ist Dauphin fest überzeugt. Ich bin weniger überzeugt von seiner These. Eine zu geringe Rolle nimmt er dafür heute in der Reihe deutscher Gedenktage ein. Wurde noch in der DDR vor allem die Frau als Ganzes geehrt, sind es heute im Mai eher die Mütter. Im Ort sind heute bedeutend weniger Touristen als noch am Vortag zu sehen. Überhaupt ist Ranomafana der Ort mit den meisten Touristen auf unserer gesamten Reise – und so kommen wir auch mit einigen ins Gespräch. Beispielsweise befinden sich drei Polen gerade radelnd von Tana auf dem Weg nach Tuléar. Wie weit sie kommen ist unklar. Die deutschen Karten sind nur halb so gut, wie sie es eigentlich versprechen – und über Wasserquellen in der Wüste wissen sie auch zu wenig. Eigentlich wollen sie am liebsten ein Taxi Brousse chartern und damit den restlichen Weg bestreiten. Ihre Räder stehen gepackt vor ihrem Balkon, als wir uns am nächsten Morgen auf den Weg nach Ambalavao machen. Das ganze Dorf ist auf den Beinen und sucht den Marktplatz auf. Diesen Frauentag feiern wir auf dem Weg in den Süden. Dort, wo es trockener ist und garantiert Blutegelfrei.

Was man sonst noch wissen sollte?

Ranomafana erreicht man mit dem Taxi Brousse von der zweitgrößten Stadt Madagaskars, Fianarantsoa, in ca. 2 Stunden. Man kann sich in Fianarantsoa auch einen Fahrer mit Auto buchen.

Übernachtung

Die guten Lodges befinden sich alle etwas außerhalb des Dorfes. Wir wählten eine günstige, zentrale Option und schliefen im Le Grenat. Unser Bungalow lag direkt am Fluss und hatte einen eigenen Balkon. Die pinke Farbgebung und das Interior sind etwas gewöhnungsbedürftig und auch mein Kaffee und Saft, die ich am Ankunftstag trank, schmeckten leider etwas seltsam, so dass wir zum Speisen dann das nah gelegene Chez Gaspar wählten. Die Hütten hier sind auch alle ganz gut und mit 55.000 Ariary preiswert. Jedoch gibt es hier keinen eigenen Balkon und auch kaum Möglichkeiten sich in den Garten zu setzen, wenn man von seiner Wanderung heimkehrt.
Le Grenat: Bungalow: 70.000 Ariary

Wanderung im Ranomafana NP:

Gebühr: 75.000 Ariary
Guide Gebühr: 105.000 Ariary
deutschsprachiger Guide: Dauphin

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