Inzwischen bin ich schon etwas genervt von dem jungen amerikanischen laissez-faire-Feeling, das hier im La Serrana herrscht. Der Altersdurchschnitt liegt weit unter 25 Jahren und so wird auch gern die halbe Nacht das Haus zusammengeschrien. Dumm, wenn das eigene Doppelzimmer direkt hinter dem Aufenthaltsraum liegt. Dafür zahlt man dann 70.000 Pesos. Der Look im Internet ist vielversprechender, als das, was man hier bekommt. Auch beim Frühstück gibt’s nun mal Hosteltypisch nur Eier und ein Brötchen umsonst. Ansonsten kostet alles extra.
Als wir uns mit einem holländischen Pärchen unterhalten, erzählen sie uns von einem zweiten Haus in 300 m Entfernung, das nur drei Zimmer hat. Natürlich versuchen wir nun dahin umzuziehen und schaffen es zum Glück auch. In dem Zweithaus seien nur ältere Leute, sagte man uns. Wir erwiderten, man habe uns bei der Reservierung nicht nach unserem Alter gefragt und außerdem, wie alt sehen wir denn bitteschön aus? Wie 20? Danke für das Kompliment, aber ganz nehme ich das ja nicht ab.
Unsere „Kaffeetour“ scheinen wir mit den einzigen Nicht-Europäern durchzuführen – zwei ältere Koreanerinnen und eben das Endzwanziger Holländerpaar. Die anderen scheinen eh ihre Tage im Hostel zu verschlafen. Man bekommt hier überhaupt das Gefühl, es sei gerade Spring Break – auch hier. Kurz nach 9 Uhr laufen wir los. Organisiert ist die diese Tour nicht. Wir müssen einfach 20 Minuten den Berg hinablaufen und dann sehen wir wohl einen Mann im roten Shirt. Der kommt uns entgegen und zeigt die Richtung an. Tatsächlich klappt das alles wunderbar. Beim Fluss unten treffen wir Pedro. Er führt uns durch eine schöne Landschaft zu seinem Haus, was noch einmal ungefähr eine Stunde dauert. Am Ende geht es wieder einen Hügel hoch und da sind wir in Sacha Mama-Land.
Zunächst trinken wir Kaffee in Pedros Haus, dann zeigt er uns seinen „Garten“ – Bananen, Platanen und viele kleine Stauden. Vor 11 Jahren hat er das Land gekauft. Zuvor haben hier Kühe geweidet. Er hat es wieder bepflanzt und nutzbar gemacht. Dies ist wichtig, weil hier dazwischen die Kaffeepflanzen wachsen. Für Pedro ist es wichtig, dass wir erst einmal das Drumherum verstehen. Dann gehen wir den Kaffeeprozess durch vom Pflücken, übers Schälen, Trocknen, Rösten, Brühen und Verpacken. Am Ende kaufen wir unseren eigenen Kaffee ab, bedanken uns brav und machen uns wieder auf den Rückweg. Selbstverständlich haben wir zuvor nicht nur die Flora, sondern auch die wundervolle Faune bestaunt, die nicht nur aus Kühen, sondern aus zahlreichen Insekten und Vögeln besteht. Besonders die Insekten standen im Fokus vieler Erklärungen, da die Koreanerinnen Biologen mit Spezialgebiet Insekten sind. Irgendwann sind wir zum zehnten Mal wegen einer doofen Ameise stehen geblieben und die Damen sind voll abgegangen und haben das Teil von allen Seiten fotografiert. Nein, es gab aber auch schöne bunte Vögel z.B. Tukane zu bewundern.
Der Rückweg dauerte noch mal 1,5 Stunden. Nach dem letzten Anstieg waren wir alle ziemlich k.o., aber das Ziel war nah. Um 16.30 Uhr waren wir wieder im La Serrana. Unser Zimmer sollten nun die Holländer beziehen, die sich zum Weihnachtsglück mal zwei Tage ein Privatzimmer anstatt Dorm gönnten. Wir hingegen durften in das ruhigere Haus umziehen, das aus drei Privatzimmern und einer Familie bestand, die dort wohnt. Diese Sandwichposition unseres ansonsten traumhaften Zimmers machte uns den Heiligabend nicht ruhiger. Die vier anderen Mitbewohner aus dem angelsächsischen Raum drehten eine alte Queen-Scheibe total laut auf und schrien dazu mit, die kolumbianische Familie hingegen trällerte mehr als leicht angeheitert Weihnachtssongs und wir versuchten dem ganzen ein bisschen Salsa entgegenzusetzen. Schönes Weichnachtsmedley.
Der Ausblick aus unserem Zimmer ist so überwältigend, dass man gar nicht mehr aus dem Bett möchte. Eine riesige Scheibe ist eingesetzt, die einen schönen Blick auf drei Wachspalmen eröffnet und dahinter die satten, grünen Hügel. Wir nahmen unten im Ort noch unsere Abendmahlzeit in einem alten Restaurant mit Tangomusik ein, aber um 20 Uhr wurde hier alles geschlossen, denn in Kolumbien ist der Heiligabend eben auch heilig, nur eben nicht im amerikanisch geführten La Serrana. Dort ist der Abend einer von vielen.