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Unterschlupf gesucht {DIARY}

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Das Frühstück liegt nun hinter mir und das nächste sogar schon wieder vor mir. Die komatöse Kellnerin gab es zwar nicht, dafür scheint sich der Nahrungsbeschaffer dieses Buffets im Koma befunden zu haben, als er die Lebensmittel besorgt hat. Da war noch nicht mal der Kaffee genießbar und das ist schon eine Leistung. Der große Restaurantsaal ein Gruselkabinett. Außer acht Tischchen waren diese massiven Stühle hochgestellt. So begab man sich erst durch einen Stuhl- und Tischfriedhof, bis man in der hinteren Ecke die einsamen Frühstückstischchen fand – und das noch einsamere Buffet. Aber eine gute Nachricht sollte dieser Tag für uns parat haben, und die hieß Diana fährt heute doch nach Sf. Gheorghe. Wir konnten unser Glück kaum glauben und so ging es um 13.30 Uhr auf dem alten Diana-Schnellboot, dessen beste Zeiten  wahrlich hinter ihm lagen, über den Sf. Gheorghe-Donauarm nach Sf. Gheorghe. Eine Telefonnummer dient zur Reservierung und alles klappte super. Es ist eine Meisterleistung, seinen Namen auf dem Tableau in der richtigen Schreibweise zu finden. Das schaffen viele Deutsche nicht mal. Aber dafür wohl in einen besseren Bootsuntersatz. Denn die Diana erinnert nicht einmal an das Schnellboot vom Amazonas – von Santa Rosa nach Iquitos in Peru. Das wäre noch eine Schmeichelei. Aber pünktlich ist sie. Und so erreichen wir wie versprochen um 15 Uhr unser Ziel.

Nur Ziel ist eben nicht gleich Ziel. Habe ich mich eine halbe Stunde später am Strand gesehen, bin ich nun 1,5 Stunden später noch immer auf der Zimmersuche, die sich als äußerst schwierig erweist. Schilder scheinen hier überflüssig zu sein. So laufen wir durch die sandige Dorfstraße hoch und runter an den kleinen Gärtchen vorbei, finden aber kein Zeichen für Vermietung. Außer Lucia. Aber Lucia ist full und außerdem ein unfreundlicher Drachen, der uns keine Empfehlung gibt, sondern uns davon scheucht. Wo sind nur die geschäftstüchtigen Bewohner dieses Ortes? Ein alter Herr mit einem Schild – viersprachig – kündigt Zimmer an. Aus Spanplatten zusammengeschustert – ich finde mit Charme, Lars eher sehr basic, verlassen wir diese Möglichkeit recht schnell. Um ein paar Meter weiter am Ortsausgang auf eine Nobelunterkunft zu treffen. Auch hier schallt Unfreundlichkeit zurück. Gegenüber befindet sich der Campingplatz, dies wäre eine letzte Option. Hatten wir Schreckensbilder im Internet bereits gesehen. Zelte, die zu einem einzigen Zelt zusammenwuchsen. So eng brauche ich es dann dennoch nicht. Aber aktuell ist die Lage auf dem Campingplatz sehr entspannt. Trotzdem gehen wir weiter oder besser zurück. Das kann ja wohl nicht alles gewesen sein.

In der stehenden Hitze unter wolkenlosem Himmel stapfen wir wieder diese tiefe, sandige Straße zurück. Keine weiteren Schilder tun sich auf, aber endlich freundliche Menschen, die versuchen uns zu helfen. Immer die Straße runter finden wir die Wave of Donau oder so ähnlich. Und da sitzt eine Frau, die leider kein freies Zimmer hat, aber wenigstens mal ein Schild am Eingang. Sie könne schauen, ob sie etwas findet. Sie selbst kommt aus Bukarest, so dass sie eigentlich keine weiteren Vermieter kenne und somit eine Liste zückt, die sich auch in unserem Rucksack befindet, aber für uns nutzlos ist, da immer lediglich Telefonnummern darauf stehen. Es dauert ein wenig Zeit, aber sie hätte da etwas. Ihr Mann bringt uns mit seinem Mobil dahin. Doof nur, dass auch er wiederum wegen fehlendem Schildes nicht gleich dieses Haus findet. Und da steht ein altes Mütterchen am Zaun und versucht gerade Konversation mit einem jungen Schweizer zu betreiben, der auch gerade auf Suche ist. Zum Glück vermietet sie zwei Zimmer. So kommen wir alle unter.

Das Wohnzimmer wurde wohl aus Anlass der Vermietung geräumt. Eine aufgeklappte Couch über der ein Samtteppich mit türkischem Reiter hängt. Gardinen, Deckchen und der Petroleumduft der letzten Reinigung inklusive kosten das doppelte von dem Spanplattenhüttchen des Mannes zuvor. Delikat wird es, wenn es in Richtung Bad geht. Das Familienbad befindet sich nämlich im anderen Gebäude, im schmalen Hof hat der Sohn mit Schneckchen, Kumpel und Kleinkind schon alles zugebaut. Dann geht es in eine olle Küche, die man so genau gar nicht sehen möchte und dann in das dunkle Bad. Dunkel ist zu diesem Zeitpunkt auch besser, denn wie ich später bemerke, gibt es ausreichend Spannerkucklöcher.

Wir unterhalten uns noch etwas mit dem Schweizer, der eher zufällig auf diese Rucksackreise gegangen ist, die eigentlich als Radtour geplant war. Leider wurde ihm in der Ukraine gleich am ersten Tag auf dem Weg vom Bahnhof zur Bleibe das Rad geklaut. Auch ein Erlebnis. Er kaufte sich einen Rucksack, packte um und voilà, nun hat er über Istanbul, Sofia auch Rumänien erreicht.

Endlich auf dem Weg zum Strand werden wir von einer alten durchgeknallten Frau gefragt, ob wir ein Zimmer benötigen. Wir sind nicht abgeneigt, wollen ja sehen, was es sonst noch so im Ort gibt. Die sanitären Einrichtungen, die sie uns als erstes zeigt, sind schon mal besser. Dann stockt der Rundgang, die Tochter fortführen soll. Doch die ist gerade anderweilig beschäftigt. Nach längerem Warten erscheint sie im Bademantel, kichernd, ihr Mann sieht man schemenhaft im Hintergrund. Nun stiefelt sie im Bademantel vor uns los, um uns ein Zimmer zu zeigen, das dem aktuellen gleicht. Nur ist dieses Zimmer 10 EUR günstiger. Sie geht ohne uns als neuen Gäste ins Haus zurück und vollendet ihr Schäferstündchen.

Der Strand liegt 20 Gehminuten vom Ortsausgang entfernt. Endlich Schwarzes Meer. Wie lang haben wir heute darauf gewartet. Die Sonne hat inzwischen schon längst ihre Strahlkraft verloren. Wir genießen noch 1,5 Stunden am Meer. Weiter Strandstreifen, wohin das Auge blickt. Mit Muscheln reich bestückt und wellig, so liegt die Perle des Ostens vor uns. Die Füße sieht man beim Reingehen nicht — trüb und aufgewühlt, aber erfrischend ist das Meer. Wir kaufen auf dem Rückweg noch im Minimarkt ein, der touristische Öffnungszeiten bis 22 Uhr hat und suchen dann ein kleines Restaurant in Hafennähe auf. Die Mückenplage abends ist weniger stark als befürchtet. Gegen 22 Uhr sind wir wieder bei unserer Gastgeberin. Ruhig und verschlafen, nur Grillen und Hundebellen stören diese Idylle, so liegt der Ort vor uns.

Nur ein Haus weiß die Stille zu stören. Genau in dieses müssen wir abbiegen. Die alte Dame ist ja noch echt heiß drauf, aber auch ein bisschen durchgeknallt. Sie steht in ihrem Negligee vor uns und erklärt uns das Licht. Während ihr Sohn auf dem engen Hof vor unserem Fenster die neusten Dancefloorhits aus der Schwarzen Meer-Region inklusive Türkei durch seine Anlage jagt. Ich resigniere. Noch einmal kurz vorbei ins Bad quetschen, dann ins Bett und hoffen, dass wir morgen erlöst sind. Und so wie der Abend endete, beginnt der Morgen. Um 7.45 Uhr beginnt die benachbarte Kirchenglocke dem Dienst des Weckers gleichzutun. Und auch in unserer Gastgeberfamilie trifft der Klang der Glocken nicht auf taube Ohren, denn mit dem letzten Glockenhall wird die türkisch-indische Musik aufgedreht. Guten Morgen Orient! Nicht zuletzt schleicht unsere Gastgeberin immer wieder um unser Zimmer und steht plötzlich nach einem Klopfer auch drin. Barca, barca. Ein Boot hatte ich für heute nicht bestellt, sondern nur einen Schlafplatz mit Ruhe. Da es letzteres hier nicht gibt, entscheiden wir uns für die lautlose Rückkehr zu dem Mann mit den Spanplattenhäusern. Wir handeln mit ihm das größere Spanplattenhaus aus, ohne einander wirklich zu verstehen. Ein wenig Spanisch und Gestik muss reichen. Nun folgen entspanntes Frühstücken im Hof und unbeobachtetes Duschen im eigenen Haus. Nicht nur das Häuschen ist aus Spanplatten, sondern auch das Mobiliar. Alle Schränke sind selbstgezimmert. Aber mit Deckchen verziert, Kerzen, Muscheln tun ihr restliches, so sieht man, wie man mit wenigen Mitteln auch etwas Liebevolles zaubern kann. Das Innenleben mit Schilf verkleidet, erinnert es schon an die Titicacaseeinseln. Aber wir sind an der EU-Außengrenze, wie uns immer wieder die in 200 Meter  Entfernung postierten Wachtürme erinnern. Wir laufen noch einmal den Ort in Ruhe und in der völligen Hitze ab, bevor wir mittags zum Strand gehen. Es folgt ein schöner Strandtag wie man ihn überall erleben könnte, wo Weite gegeben ist.

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