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Rumänisch reisen und eine verschwundene Autobahn {DIARY}

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Um kurz nach 9 Uhr fuhren wir vom Hof des Bacio Hostels herunter. Wir widersetzten uns dem Ratschlag unseres sehr freundlichen Gastgebers und stachen nicht gen Brasov ins Land, sondern vielmehr steuerten wir über Pitesti direkt Bucuresti an. Zunächst noch das Auto auftanken. Schnell war das nicht. Zunächst suchte ein orthodoxer Rumäne eine Mitfahrgelegenheit und blieb hartnäckig an den Fersen, dann verschwand Lars zum zahlen und kam erst nach 15 Minuten wieder wutentbrannt aus dem Tankstellenhaus. Ich müsse zahlen. Die Tankwarts verstanden nur Bahnhof und so wurde auch mein Zahlvorgang etwas erschwert. Aber wenigstens hatte ich anders als Lars auch aus dem Ausland Zugriff auf mein Konto.

Dann ging es aber richtig los, einmal quer durch die Karpaten. Und dieses Mal gefiel mir die Strecke noch besser als die nach Sinaia und Brasov. Steil erhoben sich die die Hänge links und rechts. Der scheinbar ewige Begleiter war der Olt. Riesige Staudämme stoppen hin und wieder seinen Lauf. Und wie so der Olt gestoppt wird, beginnen sich auch bei uns ca. 60 km hinter Sibiu Staumöglichkeiten in Form von LKWs und Bussen aufzutun, die die Karpatenhänge nicht in der gewünschten Geschwindigkeit bewältigen lassen. Und immer wenn sich eine rettende Umgehungsstraße für LKWs um Ortschaften auftut, wird diese Möglichkeit, ein bisschen Zeit zu gewinnen, schnell vertan. Denn von dem Verkehrszeichen mit LKW fühlen sich die Busse nicht angesprochen und tuckeln weiter fröhlich durch die Ortschaft.

Hinter Pitesti dann endlich das erste Mal rumänische Autobahn. Nur deshalb haben wir uns gegen die Strecke über Brasov entschieden. Wir Deutsche, wir lieben Autobahn. Für Rumänen scheinen die Vorzüge von Autobahnen noch nicht ganz herausgearbeitet wurden zu sein. Zumindest sind sie in der Praxis nicht ersichtlich. Sehen wir die Möglichkeit des entspannten Überholens Schwächerer und dem Plus an 40 km/h, ist Autobahn gleich Landstraße gleich Ortschaft. Also auch 130 km/h gleich 90 km/h gleich 60 km/h. Rumänen fahren immer gleich schnell. Ach ja, sie überholen auch besonders gern, wenn gerade die Mittellinie durchgehend ist und ein Überholverbotsschild am Wegesrand steht. Und der besondere Ansporn kommt noch dann, wenn gerade Gegenverkehr kommt. Aber das hat man nun mal alles nicht auf einer Autobahn. Und so fahren wir sehr entspannt bis nach, naja Bucaresti. Wir loben bereits den Tag vor dem Abend, und das sollte man ja nie tun. Und der Abend ist noch nicht da, als wir die Grenze Bucarestis erreichen bzw. unser Problem ist, wir erkennen nicht die letzte Abfahrt vor Bucaresti und sind gleich mittendrin – und das nicht nur in der Stadt sondern auch im städtischen Stau und das ohne Umkehrmöglichkeit. Die Ausschilderung auf der Autobahn ist gelinde gesagt sehr mau. Da gab es kein Schild, was uns hätte vor dem drohenden Chaos warnen können, denn wir wollten doch unbedingt diesen Landstraßenring südlich um die Hauptstadt nehmen. Nichts da, in Rumänien geht alles gern mittendurch. Das ist so, als wenn ich aus Leipzig kommend an die Ostsee fahrend einmal bitte über den Alexanderplatz will. Und so lacht uns eine halbe Stunde später der altbekannte Cheauscescu-Palast an. Wie gern ich ihn gerade sehe. Aber wir Sparfüchse sind ja auch selbst schuld, mit schlechtem Kartenmaterial unseres Reiseführers allein uns auf diese 600 km lange Autoreise zu begeben, wo jedes bisher gesichtete andere deutsche Pärchen allabendlich die schöne deutsche Falkkarte wälzt, in der garantiert jede 300 Seelengemeinde eingezeichnet ist. In unseren kleinteiligen Karten hingegen fehlen hier und da ganze Dorfreihen und die Nummerierungen stimmen auch nicht mehr ganz. Aber bei einer Sache scheint der Reise Know How-Führer doch übermotiviert gewesen zu sein, und das ist wieder das Kapitel Autobahn. Ja, den Ring um Bukarest gibt es nicht, das wissen wir ja. Aber in der Stadtmitte gab es zumindest Schilder, die uns in Richtung Konstanta brachten. In die Richtung zumindest, weil hier und da nach trostlosen Wegen durch Industriegebieten fehlte das ein oder andere Schild und man glaubte sich schon ganz auf der falschen Fährte, nur um sich dann noch mehr zu freuen, wenn man wie zu Ostern ein Ei gefunden hat. Liebes rumänisches Verkehrsministerium, tut doch bitte etwas an Eurer Ausschilderung! Wir oder die EU zahlen gern noch ein bisschen dazu, um uns eine ganze Urlaubsstunde im nächsten Rumänienurlaub zu schenken. Aber ja, der übermotivierte Reiseführerautor hat uns doch tatsächlich eine ganz saubere Autobahn von Bukarest, die wir auch schließlich fanden, juchhu, bis nach Konstanta eingezeichnet. Keine Autobahn im Bau oder so. Nein, eine richtige Autobahn bis ins Stadtzentrum. Das letzte, was wir von der Autobahn noch sahen, war die Brücke über die Donau bei Cernavoda. Dann tat sich vor uns ein Hügel auf, den noch nie in den Jahren zwischen Wende, Krieg und irgendetwas eine Autobahn nur annähernd überquert haben könnte. Sackgasse, bitte hier abfahren, das war das Zeichen dieses Hügels, der die Autobahn so jäh beendete, wie sie in Bukarest ihren Anfang nahm. Was hat sich dieser Joscha Remus hierbei gedacht, uns so zu verarschen. Oder hat der Grafiker geschlafen? Ich weiss es nicht, jedenfalls ahnten wir spätestens jetzt, dass der empfohlene Weg über Brasov wohl die bessere Wahl gewesen wäre.

Die letzten 100 Kilometer waren von besonderer Tristesse und Müdigkeit geprägt. Wer üppige Natur als Ankündigung des Naturhighlights ersehnt, bekommt osteuropäischen Ackerbau geboten. So viele Acker am Stück habe ich noch nicht mal in Argentinien gesehen, obwohl eine landschaftliche Ähnlichkeit doch vorhanden ist. Kein Baum, der Schatten spenden könnte. Und in der Ferne blitzt kurz einmal das Meer auf. Nur dieser Blick lässt mich hoffen. Um 17.30 Uhr endlich am Ziel – Tulcea. Wir checken so geschwind in den nächsten rumänischen Hotelkomplex ein, wie ich sonst vor solchen Gebäuden reiß aus nehme. Wir wollen nur noch ans Wasser. Das unsere Eile an die Ostküste umsonst war, erfahren wir schnell. Morgen gibt es keine Boote zu unserem Reiseziel Sf. Gheorghe. Nichts, nada. Ich könnte heulen. Wacker hielten wir der Behauptung bis zum Betreten Tulceas stand, Rumänien sei Südosteuropa. Leider sind wir nun am östlichsten Zipfel der EU angekommen, und was soll ich sagen, hier ist Rumänien Osten. Es wirkt so sowjetisch auf mich, ohne je in der Sowjetunion gewesen zu sein. Die Donaupromenade ein Häufchen Schrott. Man versucht stets seinen Blick auf die Schiffe zu richten, um den architektonischen Missetaten auszuweichen, dich sich bis ans Ufer erstrecken. Häßlichste Wohnblöcke eine verrottete Promenade, ja ein bisschen Argentinien steckt hier schon auch drin. Wir trösten uns über diesen enttäuschenden Aspekt auf einem Restaurantschiff hinweg. Am Abend dann auf dem Zimmer. Keine Decke, nur ein Laken. Ein Handtuch, ein Kopfkissen. Das zweite Set wurde wohl vergessen, meint man. Die Rezeptionistin klärt uns auf, das zweite Set inklusive Überdecke sei im Schrank zu finden, damit es nicht dreckig werde. Wie lange es da schon schlummert, um Staub anzusetzen, keine Ahnung. Das Hotel-Highlight – das Frühstück – wird uns morgen erwarten. Zu diesem Thema konnte die Rezeptionistin so gar keine Auskunft geben. Wann, wo was – alles zu viele Fragen.

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