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Windhoek: Von Luxury Hill bis Katutura

Windhoek Namibia

Wie eine Oase in einer Wüste liegt Windhoek vor mir. Eine rotbraune Bergkette schlingt sich wie ein Gürtel um die Häuser und Grünflächen auf 1.700 Metern Höhe. Auas-Berge, Eros-Berge und Khomas Hochland umringen die Stadt. Was dahinter kommt, kann ich an diesem Morgen nur erahnen. Was sich da unten im Tal befindet, kann ich fast ebenso nur erahnen. Denn das, was von der Terrasse der Heinitzburg in Luxury Hill als Miniatur zu sehen ist, verliert beim näheren Hinsehen seine Schönheit. Schmucke Häuser aus der Kolonialzeit muss man im Stadtzentrum suchen. Vielmehr dominieren neue Gebäude und Baukräne das Stadtbild, das an diesem Morgen eine meditative Ruhe für eine 330.000 Einwohner zählende Stadt ausstrahlt. Auch ich bin noch nicht ganz da und will doch gleich mitten hinein.

Blick von der Heinitzburg

Blick von der Heinitzburg

Haus in Windhoek

Haus in Windhoek

Fast jeden Touristen spült es irgendwann auf die Terrasse des Namibia Craft Centre, auf der man einen erhabenen Blick auf den Hof und die Straße werfen kann. Gute Speisen, jede Menge Souvenirs und nette Plaudereien. „Guten Morgen, Madame!“ Immer wieder muss ich mich schütteln, wähne ich mich nicht in Afrika. Nie wurde ich an einem Tag außerhalb Deutschlands, Österreichs und der Schweiz so viel auf Deutsch angesprochen. Der Exotik nimmt das ein wenig seinen Reiz, die mit anderen Gewohnheiten kompensiert wird.

Namibia Craft Centre

Namibia Craft Centre

30 Minuten warten wir nun schon auf das Date mit Helmuth. Er will uns ein wenig von Windhoek und seinen Vororten zeigen. Obwohl wir bereits morgens schon einiges abgelaufen sind, soll uns Helmuth noch einmal die namibische Welt etwas näher bringen.

Helmuths Welt besteht weniger aus den Bauklötzern des Windhoeker Zentrums. Er lebt 10 km vor den Toren der Stadt , wo er uns hinbringt. Es ist der „Ort, an dem wir nicht leben möchten“ – so übersetzt man den Namen des einstigen Township Katutura. „Wollt Ihr etwa hier leben?“, schaut uns Helmuth fragend an. Es ist der zweite Township binnen einer Woche, den ich mir ansehe. Unweigerlich drängt sich ein Vergleich zwischen Kapstadts ältesten Township Langa und dem Windhoeker Township Katutura auf. Wo ist schlecht noch schlechter? Wo elendig noch elendiger? Ich fühle mich zugegeben unwohl bei meinem Gedankenspiel. Auf dem Weg von der Innenstadt fahren wir auf einer Straße, die die weiße Gegend einst strikt von der schwarzen Gegend trennte. Auch heute leben auf der einen Seite nur Farbige und Schwarze.

Old Place

Old Place

Diese hatten vor den 50er Jahren vor allem auf der „Alten Werft“ („Old Location“) gewohnt. Doch die Apartheid Südafrikas wurde importiert, so dass die Stadtverwaltung nach dessen Vorbild aus Windhoek eine „weiße“ Stadt machen wollte und somit die schwarzen Familien in die Außenbezirke umsiedelte. Elf Menschen ließen bei einem Aufstand 1959 gegen die Umsiedlung ihr Leben. Auf dem heutigen Old Location Cemetery haben sich inzwischen zu deren Massengrab viele Kreuze und Grabsteine mit Namen und Nummern gesellt.

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Katutura wurde von der Verwaltung in Stammesbezirke gegliedert – getrennt nach Nama, Herero und Damara. Die Türen deuten noch heute durch den Buchstaben in ihrer Hausnummer auf die Stammeszugehörigkeit des Eigentümers hin. So halten wir vor Hausnummer H15 – die von einer Herero-Familie bewohnt wird. Damaras haben ein D vor der Nummer, Namas ein N. Den „farbigen“ Stämmen war die Vorstadt Khomasdal zugedacht. Auf einem kargen Feld spielen Jungen Fußball. Roter Staub wird aufgewirbelt. An den Straßenrändern stehen überall junge Männer und starren vor sich hin. Es ist der Blick durch die Scheibe, der mir Helmuths Welt näher bringt. Im Zentrum von Katutura halten wir an einem Markt für Waren verschiedenster Art und Fleisch. Ganze Kühe werden mit Äxten zerhackt, gegrillt und verkauft.

Havana in Katutura

Havana in Katutura

Fussballplatz in Katutura

Fussballplatz in Katutura

Wir fahren weiter zum Penduka Crafts Centre, wo Frauen Batik-, Töpferei- und Perlenarbeiten herstellen und diese wiederum verkaufen. Auch eine Unterkunft ist an das Zentrum mit seiner herrlichen Lage an einem kleinen See angeschlossen. Seit den 90er Jahren hat sich die Lebenssituation in Katutura stetig verbessert. Manch einer nennt es daher schon „Matutura“ – „Ort an dem wir leben wollen“. Doch das mag ich nicht glauben, als wir die informelle Siedlung Havana passieren. Wellblechhütten überziehen hier die Hügel. Aus Müll zusammengezimmerte Behausungen, die inmitten einer Ödnis entstanden sind und unhygienischste Zustände zutage bringen.

Havana in Katutura

Havana in Katutura

10 km entfernt stehen wir auf einem anderen Hügel, den man auch auf dem Aloe Trail gut entlangwandern kann. Von hier hat man nicht nur einen schönen Blick über Windhoeks Zentrum, sondern auf der östlichen Seite schaut man über die grüne Oase Klein Windhoek. Hier ist definitiv „Matutura“ – der Platz, an dem wir leben wollen.

Klein Windhoek

Klein Windhoek

Parlament

Parlament

Christuskirche

Christuskirche

Noch einmal schlängeln wir uns die Straße entlang an Einfamilienhäusern mit herrlichen Vorgärten vorbei und stoppen vor dem Parlamentsgebäude. So nah an der politischen Macht kann man hier tatsächlich im ruhigen Garten picknicken. Der sogenannte Tintenpalast diente schon der deutschen Kolonialregierung als Sitz. Drei Statuen von Freiheitskämpfern stehen im Garten vor dem Palast – die des Herero-Führers Hosea Kutako, des Nama-Führers Hendrik Witbooi und des Ovambo-Priesters Theophilus Hamuntubangela. Gegenüber vom Garteneingang ragt der Kirchturm der Christuskirche empor. Sie gilt als Wahrzeichen der Stadt und zugleich als Symbol des Friedens. Jeden Sonntag wird ein Gottesdienst in deutscher Sprache abgehalten. Läuft man die Robert Mugabe Ave. hinab, passiert man gegenüber der Kirche das von einem nordkoreanischen Bauunternehmen errichtete Independence Memorial Museum, dessen Herkunft man nicht leugnen kann. Dahinter folgt die Alte Feste, in deren Innenhof das umstrittene Reiterdenkmal an die gefallenen Deutschen im Herero-Aufstands erinnert.

Blick vom Parlament auf den Garten

Blick vom Parlament auf den Garten

Independence Memorial

Independence Memorial

Genug Deutsches findet in Windhoek jeder, selbst wenn er es nicht sucht. Deutsche Touristen sind hier in der Überzahl. Deutsche Straßenschilder, deutsche Sprache, deutsche Geschichte. Geplättet von doch so viel Deutschem mitten in Afrika stehe ich am Abend auf der Terrasse der hundertjährigen Heinitzburg, die vom Grafen von Schwerin erbaut wurde. Glutrot verschwindet die Sonne hinter den Bergen während wir unseren Sundowner genießen. Irgendwo dahinten verschwimmt das Rot der Sonne mit dem Rot der Namib-Wüste. Doch in diesem Moment ist dies nur ein Ziel unserer Reise, an deren Anfang wir uns befinden.

Der Reiter

Der Reiter

Sunset über Windhoek

Sunset über Windhoek

Ich wurde von Condor und dem Hotel Heinitzburg unterstützt. Alle Ansichten sind meine eigenen.

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