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Die Stadt vor der Stadt – Kapstadts Flats

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Langa, Khayelitsha, Gugulethu – es sind diese Namen, die einem bei der Fahrt vom Flughafen Kapstadts ins Zentrum als erstes begegnen, aber in diese Orte wird es kaum einen Touristen ziehen.

Es sind die Flats vor der Stadt, in die die Bewohner mit der „falschen“ Hautfarbe mit dem „Group Area Act“ von 1958 zwangsumgesiedelt wurden. Den ältesten Township Langa, der schon 1923 vor diesem Gesetz eröffnet wurde, besuchen wir vom City Center, der Long Street, aus mit einer LaGuGu Tour, die Touristen einen Einblick in das Leben der Townships Langa und Gugulethu gibt. Mit einem auffälligen roten Hop on-Hop off-Bus werden wir hineingefahren, um dann durch die Straßen Langas zu laufen. Kaum jemand, der von unserer Gruppe explizit Notiz nimmt, außer die Kinder, die auf uns zugeströmt kommen.

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In Langa leben 80.000 bis 100.000 Menschen. Einfache Häuser mit Vorgarten mischen sich mit Wellblechhütten und Wohnkomplexen, die besonders durch die Anzahl der Personen, die die Zimmer bewohnt, schockieren. In diesen einstigen „Hostels“ gibt es jeweils drei enge Zimmer, die sich Küche und Bad teilen. In einem Zimmer wohnen meist neun Personen – in drei Triple Betten. Unsere Gruppe von 8 Personen passt hier nicht zeitgleich rein – wie, wann und wo kann man hier denn bitteschön zeitgleich schlafen? Es geht, bestätigt und Guide Buntu, der uns zu sich nach Hause eingeladen hat. Keine Fernsehsendung, kein Internetbeitrag, kein Foto der Welt kann einem das Gefühl authentisch vermitteln, das man spürt, wenn man einen Moment nur an der Peripherie dieser Lebenswelt geschnuppert hat und doch diese schier unglaubliche Lebensfreude einem entgegenschlägt.

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Es sind diese Umstände, die Menschen dazu zwingen, ihr Leben abseits der eigenen vier Wände zu verbringen. Kaum vorstellbar, dass die Apartheid bereits vor 20 Jahren beendet wurde. Es werden Häuser gebaut, es werden Menschen in besseren Behausungen untergebracht, doch immer mehr Menschen aus den ländlichen Gebieten und dem Osten des Landes kommen nach. Die Townships wachsen, anstatt zu schrumpfen. Ein Mammutprojekt, das hier zu bewältigen ist. Während in Camps Bay in bester Strandlage noch immer die weiße Oberklasse hinter Elektrozaun und Security bewacht residiert, leben in den kargen, staubigen Gegenden der Vorstadt noch immer vornehmlich Schwarze. Heute gehören vielen dieser Menschen die Häuser, haben freien Wasseranschluss und zahlen mit Prepaid Boxen nur für den Strom. Doch 65 Prozent der Bewohner sind arbeitslos.

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Dass Schwarz nicht gleich Schwarz ist, lernen wir wenige Minuten später. Ein perfides System als Produkt der Apartheid hat Schattierungen der „Schwärze“ eingeführt und danach Menschen mit Rechten und Pflichten ausgestattet und sie einer Wohngegend zugeteilt. Ob der Kamm auf dem Scheitel liegen bleibt, war nur einer der absurden Tests, die den negriden Anteil eines Menschen bestimmen sollten.

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Wir besuchen die Langa Pass Office, wo uns das Dompas-System (Dummpass) erklärt wird. Die Bewohner der Townships mussten diesen Pass, der definierte, wo sie leben und sich aufhalten dürfen, während der Apartheid immer bei sich tragen. Gegen Verstoß wurden sie eingesperrt oder mussten hohe Strafen zahlen. Buntu erklärt uns auch das „Doping System“ – wie er es nennt –, das früher herrschte. Keine Bezahlung, dafür Alkohol umsonst.

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Wir ziehen weiter vorbei an selbst hergerichteten Shops aus Blech, aus denen Musik tönt. Auf einem kargen Platz weht Wäsche über dem staubigen Boden an farbigen Leinen. Ein Kulturzentrum, eine Kaufhalle, eine Klinik, mehrere Friseure und Klamottenläden, die Welt ist ähnlich der Welt anderswo und doch auch wieder anders.

Schräg gegenüber der Old Beer Hall, steigt Rauch auf. Drei Frauen räuchern unter der brütenden Hitze der Mittagssonne Schafsköpfe. Sie haben sich gelbe Paste in die Gesichter gerieben, die sie vor der Sonne schützen sollen. Der Geruch liegt noch lange in der Nase – als wir längst die Welt des ältesten Townships Südafrikas verlassen haben. Ich kann gehen, wo immer ich hin möchte. Aber die Menschen hier? Werden sie gehen, wenn sie es können?

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Es ist die Freude der Menschen und sind die Namen dieser Orte, die einem irgendwie Hoffnung machen. Doch ähnlich fühlte ich mich bereits vor 14 Jahren, als ich im Rahmen meines Praktikums mit Menschen aus Langa, Mitchells Plain und Khayelitsha zusammenarbeitete und diese auch besuchte. Es waren Menschen, die mir sagten, sie würden trotz ihrer besseren Lebenssituation durch ihre Arbeit diese Umgebung nicht verlassen wollen.

„Sonne“ = Langa, „unser Stolz“ = Gugulethu, „Neue Heimat“ = Khayelitsha – ich wünschte mir, das Worte stärker als Bilder sind.

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Was man wissen sollte?

Die LaGuGu-Tour kostet 290 Rand und wird von einem Guide begleitet, der in dem Township lebt. Die Tour startet von der Long Street.

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Ich wurde von South African TourismCondor und Thomas Cook eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.

4 Kommentare

  1. Liebe Madlen ich glaube die gleichen Momente findest Du in vielen Orten von Afrika, wenn man als Tourist abseits der Piste ist und sich auf ein Land einlässt. Für uns als Europäer ist das immer schwer zu verstehen und dieser Armut in die Augen zu sehen. Aber für die Menschen ist dies immer noch ein besseres Leben als wenn sie auf dem Land verhungern. Das größte Probleme sehe ich eigentlich daran, das sich auch in Afrika leider die Entwicklung auftut von zwei Schichten Reich – Arm und das ein Mittelstand gar keine Chance mehr hat. Danke für dieses offen Beitrag und ich hoffe das viele Ihn lesen werden.

    Grüsse sendet Daniela

    • Liebe Daniela,
      da gebe ich Dir vollkommen recht. Natürlich findet man dies überall in Afrika – aber auch Südamerika oder Asien. Jedoch gibt es Städte auf der Welt, in denen der Kontrast noch krasser auffällt als in anderen – und dazu zählt für mich Kapstadt. Man kann besonders hier schnell nur die Glitzerseiten sehen und den Rest ausblenden. Aber auch hier ist es ein langer Weg – und für mich um so interessanter, weil ich in Kapstadt vor 14 Jahren schon einmal temporär gewohnt habe, in mit Bewohnern von Townships arbeitete und eigentlich feststellen musste, dass sich so viel nicht verändert hat…
      Viele Grüße, Madlen

  2. Ein spannender, wichtiger Beitrag. Leider wagen die meisten Touristen sich nicht in die Townships und nehmen so nur das Bild des „weißen“ Südafrika mit nach Haus. Ja, Südafrika ist ein landschaftlich tolles Urlaubsziel, es gibt so viel zu erleben, Tiere in den Parks zu beobachten, es gibt Wein und gutes Essen. Aber es gibt auch immer noch die Folgen der Apartheid, es gibt Arbeitslosigkeit, Aids und Gewalt, es gibt immer noch die Townships. Auch dies ist die Realität Südafrikas – und sie macht das Land ja nicht weniger liebenswert.

    Wir reisen seit 15 Jahren immer wieder nach Südafrika, wir haben Freunde dort gefunden und etwas begeistert uns immer wieder: die unglaubliche Lebensfreude, die Energie, der Antrieb, etwas zu ändern, es zu schaffen, kurz die positive Einstellung zum Leben. Quer durch alle Bevölkerungsschichten, Hautfarben, Berufe… alle Südafrikaner sind enorm stolz auf ihr Land. Und dabei bekommt man beileibe nicht nur Gutes zu hören – nein, immer wieder haben wir vergangene, aktuelle und kommende Probleme der Rainbow-Nation diskutiert. Immer wieder wurde uns deutlich: die Menschen am Kap sind stolz auf den Wandel seit dem Ende der Apartheid, sie verehren Madiba – aber gleichzeitig stellen sie sich den Problemen mit ungebrochener Energie, mit Optimismus und, ja man kann es sagen: sogar mit Freude und Würde, egal mit wie wenig sie ihr Leben bestreiten.

  3. Hi Madlen,

    schön dass einmal jemand auch über Kapstadts andere Seite schreibt. Die Stadt unterliegt ja einem ziemlichen Hype und jeder der mal dort war, überschlägt sich meist vor Begeisterung. Auch ich liebe Kapstadt und Südafrika sehr. Ich habe vor zehn Jahren dort für zwei Jahre gelebt und durfte im Alltag und Arbeitsleben auch mal hinter die Kulissen blicken, die Kluft zwischen Schwarz und Weiß und allen Schattierungen erleben. Die Ungerechtigkeit und die Priviligiertheit von Manchen. Ich finde auch wie Du, den Kontrast fast nirgendwo stärker als in Kapstadt.

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