Seit 1,5 Stunden sind wir nun in der Luft, unter uns die schneebedeckten Bergketten. Eigentlich hätte jetzt die Reise erst beginnen können, wo sie nun endet. Die Mongolei besticht durch ihre Ruhe und Natur. Doch die rauen Seiten gerade dieser lässt man schnell aus dem Blick, wenn die Sonne fast ungehindert tagelang scheint und die Temperaturen zumindest tagsüber einem guten deutschen Sommer gleichen. Doch während mein Blick auf die Berge fällt, wird mir auch klar, was nur in wenigen Wochen die Hürden eines Lebens genau hier sein würden. Klirrende Kälte, wie wir sie in Deutschland nicht kennen. Ein normaler mongolischer Wintertag überbietet mehrfach einen Extremtag im deutschen Winter in seiner Temperatur. Wie findet ein Jurtenalltag in einem mongolischen Winter abseits von Ulaanbaatar statt. Gern würde ich dies noch einmal erleben.
Was bleibt hängen von einem Land, das sich meinem Eindruck nach aktuell in einem Aufbruch befindet? Straßen wären nicht schlecht. Doch da ist man dran. Die Bauzeiten reduzieren sich auf wenige Monate im Jahr, so lässt sich schlecht abschätzen, wann Straßen nach Dalanzagdad oder Murun fertig asphaltiert sein werden. Mit einer besseren Infrastruktur wird sich das Bild bald drehen, und ich bin mir sicher, der Tourismus wird noch einmal kräftig anziehen. Aktuell macht sich jeder seinen eigenen Weg und irgendwie ist dies auch sehr charmant. Mit dem richtigen Auto ausgerüstet empfinde ich das System auch sehr praktisch. Dadrüben ist mein Haus? Nicht umständlich erst den Straßen folgen, sondern einmal über die Steppenwiese und voilà, schon bin ich da. Nur so einfach ist es leider nicht immer.
Da sind wir beim nächsten Punkt, der mehr stört – Ausschilderungen! Man muss es ja nicht übertreiben und so ist die deutsche Verkehrszeichenwüste nicht nachahmungswert. Aber manchmal täte tatsächlich so ein kleiner Hinweis gut, damit man zumindest schon einmal aus einer Stadt den richtigen Weg herausfindet. Nicht jeder hat GPS, und erst recht nicht jeder kennt seinen Weg, wenngleich er sich als Fahrer bezeichnet. Und was nützt es mir, wenn ich rein theoretisch abkürzen kann, um zu meinem Haus zu kommen, wenn ich zuvor aufgrund der fehlenden Orientierung dreimal im Kreis gefahren bin? Natürlich schafft sich jeder nach einer Winterperiode neue Wege und die Schilder würden dann irgendwo 100 m weiter links unbeachtet verrotten. Aber anstatt dreimal im Kreis zu fahren, wäre es dann schön, einfach zur Sicherheit ein Schild 100 m links zu wissen, das mich kurz informiert und mir Sicherheit gibt.
Das sind nur Kleinigkeiten für einen Touristen, sicherlich gibt es für die Bevölkerung wichtigere, dringendere zu klärende Fragen. Wo entwickelt sich dieses Land hin, das reich ein seltenen Erden ist? Sicherlich liegt da neben dem Tourismus das hauptsächliche Potenzial. Ich erwartete ein armes Land und verlasse es bereichert. Sehe inzwischen die heruntergekommenen sozialistischen Plattenbauten nicht mehr. Der anfängliche neugierige Blick zum Schäbigen, zur Exotik schlägt um, schweift hin zur Normalität. Ich sehe den guten Mittelstand, der mit dicken Geländewagen durch die Straßen fährt. Sehe Straßenzüge, die dem Vergnügen dienen. Und hier gibt es genug Menschen, die sich auch an einem Mittwochabend vergnügen. Die Restaurants sind voll, die Bars gut besucht. Die Mongolei ist anders, nicht ganz Asien, nicht ganz Osteuropa. Nicht nur modern, nicht nur traditionell. Sicherlich komme ich wieder, das sage ich mir nach jedem Urlaub. Nur wenige Länder habe ich jedoch zweimal bereist. Die Mongolei hat gute Chancen auf ein Wiedersehen. Denn die Transsib steht noch immer auf meinem Plan.
Das war meine erste Rundreise, die fast den gesamten Urlaub vereinnahmte. Sicherlich ist das eine Reiseform, die vielen Menschen liegt. Ich hingegen habe nur durch diese Reiseform das Glück gehabt, geballt in 16 Tagen die wichtigsten Highlights der Mongolei zu besuchen. Dahin zu kommen, wo das sehr schlecht ausgebaute öffentliche Verkehrsnetz versagt. So kann ich einige Ziele auflisten, an denen ich unwissend vorbeigefahren wäre. Hauptsache individuell, aber doch an dem Knotenpunkten der Massen hätte ich mich nur aufhalten können. Nur an Orten wie Tsetserleg, Murun und Kharkorin sah ich überhaupt wenige Individualtouristen. Meine Highlights waren woanders. Dennoch habe ich gelernt, warum ich nicht eine „rundum die Uhr-Betreuung“ begrüße. Ich fühle mich total entmündigt und das für nicht wenig Geld. Essen, Fahren, Schauen… Ich will Ruhe, will genießen, will allein sein, will entscheiden, wann ich esse, fahre, schaue…