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In einem Tag um die Müritz – 100 km mit Rad

Müritz, puriy

Da ist sie, die frische Seeluft, die steife Brise, die im Norden immer ein Stück heftiger weht. Als wir den geschützten Wald, den wir größtenteils an der Ostseite der Müritz durchfuhren, am Ortseingang von Waren verlassen, kämpfen wir gegen die Sturmböen an. Dunkle Wolkenschichten schieben sich über uns hinweg, während neben uns am Uferweg das Wasser in Wellen an Land schwappt. Wir haben den größten Binnensee Deutschlands (auf deutschem Gebiet) erreicht – die Müritz. Leichter Nieselregen stäubt uns einen Hauch Frische ins Gesicht, doch uns dürstet es eher nach Wärme. Wir suchen das Kietzspeichercafé auf, um bei Kaffee und Kuchen zu entscheiden, ob wir die Müritzumrundung an dieser Stelle fortsetzen – unsere Radtour um die Müritz an einem Tag.

Etwa ein Drittel liegt hinter uns, aber erst jetzt sehe ich die Müritz das erste Mal auf dieser Tour vor mir: Von Blankenförde sind wir über Granzin, Speck, Federow bereits nach Waren geradelt. 32 km in knapp zwei Stunden mit wenigen Fotostopps. Das klingt nicht viel, ist auch nicht viel, aber meine Erkältung der letzten Woche spüre ich dennoch wieder hochkommen. Ab einem gewissen Punkt kann man nicht mehr umkehren. Noch geht es.

Wenn man die Müritz umrundet, fährt man nicht nur um einen See. Man umradelt gleich viele Seen, Wälder, Wiesen und atmet ein Stück frische Mecklenburger Seeluft ein. Man zwingt sich irgendwann dazu, nicht jeden Aussichtpunkt mitzunehmen, nicht auf jeder Bank zu verweilen – sonst bräuchte man mehrere Tage. Wenn man die Müritz an einem Tag umrundet, und diese Tour auch erst mittags startet, dann fährt man doch irgendwo gegen die Zeit und am Ende gegen seine körperlichen Kräfte.

Durch die Wälder an der Ostseite der Müritz entlang: Blankenförde – Speck – Federow – Waren

Unser Startpunkt der Radausfahrt liegt ein bisschen abseits der Müritz. Blankenförde ist dennoch ein beliebter Stopp auch bei Radlern, die den Fernradweg Berlin-Kopenhagen entlangfahren. Die Straße nach Babke bietet zunächst mit ihrem Asphaltbelag einen guten Einstieg. Leicht wellig ist das erste Stück von einem Auf und Ab geprägt. Die Kirche in Babke ist an Wochenenden immer geöffnet und lädt zu einem Besuch ein. Ein Stück weiter wird selbstgemachte Marmelade angeboten und aus einem Storchenhorst schaut auch dieses Jahr wieder der lange Schnabel von Adebar heraus. Am Ortsausgang zweigt sich die Straße und führt einmal Richtung Zartwitz oder eben nach Granzin. Gerade mit Rennrad bietet sich die Strecke über Granzin eher an, auch wenn die Teerdecke bald hinter Babke in eine Gittersteinstraße übergeht. Zuvor kann man noch an der Kanuumtragestelle rechter Hand sich beim Fischer stärken. Auf dem Weg nach Granzin ragen aus einem kleinen Moorgebiet abgestorbene Hölzer gen Himmel – ein schönes Fotomotiv.

Kurz vor dem Ortseingang Granzin, wo aktuell gebaut wird, biegen wir links Richtung Krienke ab. Auf einer Teerstraße lässt es sich nun besser fahren als auf den holprigen Steinen. Schnell passieren wir an der Granziner Mühle die Umtragestelle für Kanufahrer, die sich hier einer Lore zwischen Pagelsee und Schulzensee bedienen. Nicht nur Paddler werden gefordert, sondern auch wir. Doch hinter einer kleinen Anhöhe wartet eine Badestelle – bei ein paar Grad mehr sicherlich schön für ein erstes Bad im Pagelsee. Von hier geht es nun ins geschützte Nationalparkgebiet, das durch eine Schranke für den normalen Autoverkehr gesperrt ist. Nur Busse und Anwohner kommen hier durch.

Durch Kiefernwälder führt uns nun die gut geteerte Straße zum Zartwitzer Kreuz. Fährt man hier immer gerades aus, erreicht man irgendwann Boek und somit die Müritz. Wir biegen jedoch rechts Richtung Speck ab. Die Straße führt weiter durch das geschützte Waldgebiet. Einen lohnenswerten Stopp sollte man am Käflingsberg einlegen. Vom Käflingsbergturm, der sich hier befindet, wird man mit einem besonderen Ausblick über die Seen, Wälder und Wiesen des Nationalparks belohnt. Wir radeln weiter nach Speck, wo man erneut eine Schranke passiert und dem Verkehr ausgesetzt ist. Eine kleine Raststätte lädt zum Halt ein. Einst befand sich hier auch ein Schloss, das einem Brand zum Opfer fiel. Durch das Gittertor kann man noch einen Blick auf die Überreste erhaschen.

Wir radeln weiter nach Schwarzenhof – mit Rennrad eine etwas heikle Geschichte. Denn neben der geteerten Straße befindet sich ein Rad- und Wanderweg auf Waldboden. Dementsprechend wird man auch von jedem vorbeifahrenden Fahrzeug auf diesen Weg verwiesen – mit Rennrad kein besonders gutes Terrain. Von Schwarzenhof führen im Herbst Touren in das Feuchtgebiet, in dem die Kraniche rasten. Auch jetzt gefällt mir der kleine Ort mit seinen reetgedeckten Häusern, er strahlt eine gewisse Beschaulichkeit aus. Kurz vor Federow biegen wir auf eine Fahrradstraße Richtung Waren ab, die zunächst über Felder und dann wieder durch den schützenden Wald führt. Die 6km vergehen im Flug – glücklich erreichen wir unser erstes Etappenziel Waren im leichten Nieselregen.

In den Rapsfeldern im Westen der Müritz: Waren – Klink – Sietow – Röbel

Waren durchfahren wir auf dem Radweg immer der Müritz entlang. Einen Abstecher auf den Marktplatz in der Altstadt legen wir dieses Mal nicht ein. Auch ein Besuch des Müritzeums wäre zu zeitaufwendig. Vom Yachthafen radeln wir weiter Richtung Schwimmbad durch die Kleingartenanlagen, um dann doch auf der Fernverkehrsstraße den komfortableren Radweg aufzusuchen, wohlwissend, dass der Weg weiter am Ufer idyllischer gelegen ist. Mit Rennrad ist man häufig pragmatisch. Der Straßenbelag dominiert dann doch die Streckenwahl, nicht die Schönheit der Umgebung. Und so ergibt sich mit der schmalen Brückenstelle zwischen der Binnenmüritz und dem Röblinsee vorerst die letzte schöne Aussichtsstelle über die Seenlandschaft. Segelboote schaukeln entspannt über das Wasser und auch ich sehne mich jetzt lieber auf’s Boot.

Was nun folgt, sind Auf- und Abfahrten zwischen Rapsfeldern und Straße. Der strenge Duft der leuchtenden Felder brennt sich in meine Nase. Greifvögel rasten immer wieder am Straßenrand oder ziehen Kreise über unsere Köpfe. Der Straßenlärm der vorbeifahrenden Autos nimmt diesem Streckenabschnitt den Reiz. Doch irgendwo hier schaffen wir die 50 km-Marke. Irgendwo bleibt aber auch meine Motivation auf der Strecke. Umkehren geht nicht mehr, macht keinen Sinn. Als wir endlich Röbel erreichen, schaue ich sehnsüchtig auf die gegenüberliegende Seite. Als hätte mich jemand erhört, wird zumindest ein bisschen Sonne mitgeliefert und der Himmel reißt langsam auf. Am Hafen tümmeln sich die Touristen, die die Müritz mit Schiff überqueren oder einfach nur ein Bierchen trinken wollen. Röbel habe ich nicht als besonders schönen Ort in Erinnerung und doch bin ich dieses Mal überrascht. Wo es dem Hafen an Reiz fehlt, schmücken farbige Fassaden und restaurierte Fachwerkhäuser die Stadt. Ich muss doch immer wieder einen kurzen Stopp an der Straße einlegen, um die Altstadt zu fotografieren, bevor wir uns Richtung Ludorf auf eine einsame Straße begeben.

 

Im Süden der Müritz: Ludorf – Vipperow – Rechlin 

Geteert und nahezu autofrei – so macht Rad fahren Spaß, selbst wenn es langsam in der Wade zwickt. Der Blick für das Schöne fehlt mir inzwischen vollkommen. In Ludorf steht ein hübsches Gutshaus aus dem Jahr 1698 und eine Oktogonkirche, die mit ihrem achteckigen Grundriss eine seltene architektonische Besonderheit in der Backsteingotik ist. Sie hat wohl der um 1150 vom Kreuzzug heimgekehrte Ritter Wipert Morin errichten lassen, der das Heilige Grab in Jerusalem als Vorbild im Auge hatte.

Zwischen Vipperow und Vietzen erreichen wir den südlichsten Punkt unserer Müritz-Umradlung. Im Norden blicken wir von der Brücke in Vipperow auf die Kleine Müritz in südlicher Richtung führt ein Müritzarm in den Müritzsee. In Vietzen überquert eine Brücke den Mirower Kanal. Erinnerungen an unsere nicht weniger anstrengende Müritz-Paddel-Tour werden wach. Doch viel Zeit bleibt uns nicht, in Gedanken zu schwelgen. Nun liegt die herauslugende Sonne wieder links von uns – wir befinden uns auf der Ostseite der Müritz. Es ist auf solch einer Tour motivierend, wenn man weiß, dass man wieder auf der richtigen Seite angekommen ist. Und so erreiche ich mit schweren Beinen nach 3,5 Stunden Rechlin, wo ich am kleinen Yachthafen das letzte Mal auf die Müritz blicke. Das Ortsbild dominieren rote Klinkerhäuser. Neben dem Wasser spielte zudem die Luftfahrt eine gewichtige Rolle in der Vergangenheit. Im Luftfahrttechnischen Museum kann man hierüber mehr erfahren. So entstand hier 1916 die Flieger-Versuchs- und Lehranstalt. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden die bestehenden Anlagen demontiert.

In den 30er Jahren wurde im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht das Gelände zur Erprobungsstelle Rechlin der deutschen Luftwaffe, die dort neue Flugzeuge, Bomben und technische Ausrüstungen testete. Nach Kriegsende wurden sowjetische Truppen stationiert und das Gebiet mit einer Mauer umgeben und war damit nicht mehr zugänglich.

Endspurt: Boek – Granzin – Blankenförde

Von Rechlin fahren wir auf der Straße zur Bolter Schleuse. Neben uns liegt ein Munitionsbelastetes Gebiet in den Wäldern. Schilder weisen darauf hin, das Gebiet nicht zu betreten. Bald erreichen wir die Bolter Schleuse am Bolter Kanal, wo Paddler emsig ihre Kanus über die Straße tragen. Über diese Stelle gelangt man von der Müritz in die östlich gelegenen Seen wie Caarpsee, Woterfitzsee, Leppinsee. Wer mindestens zwei Tage Zeit zum Paddeln hat, dem sei diese Runde auf Wasser empfohlen, die über den Mirower Kanal wieder zurück in die Müritz führt.

Ein Stück weiter gen Norden erreichen wir die Boeker Mühle mit ihren Fischteichen. Kurz dahinter biegen wir in einen Waldweg ein und erreichen bald wieder die Radstraße nach Granzin. An der Stelle, an der wir das Zartwitzer Kreuz passieren, haben wir den Kreis genau genommen geschlossen. Doch wir sind noch nicht an unserem Ziel angekommen. Das liegt noch ein paar Kilometer weiter und lässt uns die 100 km komplettieren. Auf dem Weg stoppen wir noch einmal in Granzin, um uns im Granziner Krug zu stärken, bevor wir die letzten 10 km nach Blankenförde angehen.

Streckenlänge: ca. 100 km
Empfehlung: Diese Runde kann man auch mit Tourenrad und mehreren Stopps auf zwei Tage aufteilen.
Schwierigkeitsgrad: leicht-mittelschwer. Die Strecke ist größtenteils flach.
Bodenbeschaffenheit: Mit Rennrad wählt man nicht immer die idyllischste Strecke am Wasser, da diese gerade an der Westseite nicht asphaltiert ist. Auf unserer gewählten Strecke war das holprigste Stück Strecke zwischen Babke und Granzin.
Erreichbarkeit: Unseren Startpunkt Blankenförde erreicht man von Berlin aus mit dem Auto in ca. 2 h über die Bundesstraße 96 bis nach Neustrelitz und von dort aus dann Richtung Userin und Mirow fahren. Mit dem Zug fährt man ebenso nach Neustrelitz von Berlin Hauptbahnhof. Von dort nimmt man den Bus (Linie 679). Dies dauert noch einmal eine halbe Stunde.
Alternativ bietet sich natürlich als Startpunkt die Stadt Waren an. Alle zwei Stunden fährt von Berlin Hauptbahnhof ein Regionalexpress in ca. 90 Minuten nach Waren (täglich zwischen 6 Uhr und Mitternacht). Aus Richtung München, Nürnberg, Halle und Berlin fährt montags bis freitags ein ICE direkt nach Waren.

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1 Kommentare

  1. Schöner Artikel! Ich bin auch bereits öfters auf dem Rad gereist und habe auch meistens um die 100 km pro Tag zurück gelegt. Auf dem Fahrrad erlebt man das Reisen viel intensiver, ist auf jeden Fall zu empfehlen.

    Viele Grüße
    Mathias – underwaygs.com

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