Seit 1,5 Stunden sitzen wir nun auf diesen Plastikhockern auf einer Aussichtplattform. Wer bis jetzt durchgehalten hat, starrt unvermindert auf die Parrot Clay Licks des Napo Wildlife Centers, ein Ort, an dem die Papageien und Sittiche aus der Umgebung mit einem Umkreis von 34 km ihre Mineralien aufnehmen, um die Giftstoffe der Nahrung, die aus Samen besteht, zu neutralisieren. Doch so ganz will es mit der Mineralienaufnahme der kleinen grünen Piepmätze nicht klappen. Sie tarnen sich lieber im Geäst oder flattern aufgeregt unter einer faszinierenden Geräuschkulisse umher.
Die Faszination, die die Kobaltflügelsittich ausstrahlen, hält leider nur für 20 Minuten an, dann macht sich auf der Aussichtplattform schon die erste Müdigkeit breit. Wir wissen nicht ganz, was passiert, weshalb wir so lange hier bleiben. Noch schwirren die kleinen Sittiche in den Baumwipfeln, doch nach und nach tasten sie sich weiter nach unten durchs Geäst. Die ersten Köpfe der Zuschauer hängen nach einer Stunde, das mag auch das Lunchpaket nicht stoppen. Pssst! Auch Unterhaltungen sind strikt untersagt, nach weiteren 20 Minuten weiß ich, dass ich in diesem Leben kein Birdie mehr werde. Vogelbeobachtung macht Spaß, wenn ich schnelle Erfolgserlebnisse habe. Dennoch halte ich durch. Meine Arme auf das Geländer gestützt , die Kamera startklar, hocke ich da und warte, das etwas im Amphitheater passiert. Außer dass die grüne, wabbernde Schicht ganz langsam im Blattwerk weiter nach unten rutscht, passiert natürlich nichts.
Die ersten schlafen, haben es sich auf den Bänken bequem gemacht, da betritt unter der Baumschicht ein Säuger die imaginäre Bühne. Ein Tapir wutschelt langsam in die Aufführung, die die Papageien noch nicht so ganz in Fahrt gebracht haben. Plötzlich tobt die Audienz. Fotoapparate klicken, auf der Plattform wird hin und hergerannt, während der Tapir still stehen bleibt, als würde er die Aufmerksamkeit genießen. Wir sind fasziniert und haben zugleich unser Highlight, eine unangekündigte Zusatzshow, die Hauptshow lässt noch auf sich warten.
Nach zwei Stunden sind die Vögel ca. 1 Meter über dem Boden. Wer jetzt noch nicht eingeschlafen ist und im Rhythmus der Sittiche schnarcht, setzt sich wieder aufrecht, denn nun kommt gleich der Augenblick, auf den wir gewartet haben – für das Bild der Bilder, das man aus jeder Broschüre kennt. Papageienschwärme, die am Boden Lehm picken. Gleich ist es soweit, einzelne Vögel fliegen schon ganz dicht über der Oberfläche des Bodens und plötzlich… höre ich es nur noch wie wild über mir flattern. Hurtig richte ich den Fotoapparat nach oben, doch die Linse kann das wilde Rauschen über unseren Köpfen auf die Schnelle nicht einfangen. Ein herabfallendes Blatt hat die Aufführung von zwei Stunden zunichte gemacht und die Sittiche aufgejagt. Unser Guide Guido fragt, ob wir gehen wollen oder warten. Wir schauen uns an. Zwei weitere Stunden warten und nicht zu wissen, ob nicht wieder so ein Blatt? In meinem nächsten Leben werde ich ein Birdie, in diesem bin ich es nicht. Wir schütteln einheitlich den Kopf und laufen enttäuscht zum Steg.
Wir wurden vom Napo Wildlife Center eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.
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Boh, so viel Geduld hätte ich wohl nicht gehabt! 😉 aber der Tapir ist süß!!!
Für den Tapir hat sich’s gelohnt 😉 Aber ich bin auch keine Geduldskanone. LG, Madlen
Das sind wirklich gelungene Aufnahmen. Ich kenne Sittiche aus Lateinamerika und habe die auch schon in der freien Natur erlebt. Die können einen heiden Krach machen. Aber immer wieder schön, die in freier Wildbahn zu erleben, wo sie nicht ihr Dasein in Käfigen fristen müssen.
Der Tapir ist echt goldig!
Danke Alexander. Sittiche, die abends in Orte wie Leticia oder Puerto Nariño zurückkehren und den ganzen Ort zusammenkreischen hatte ich auch häufiger erlebt. Aber an dieser Beobachtungsstelle am Napo wären die Sittiche am Ende eigentlich gut sichtbar auf den Boden gekommen. Ich habe grandiose Fotos davon gesehen. Leider blieben unsere ja wieder nur gut getarnt im Grünen, aber der Tapir entschädigte… LG, Madlen
Beeindruckende Bilder von einer wunderbaren Natur. Und wenn sich die Geduld zu Warten belohnt wird, dann alle sowieso.
Ja, Geduld zahlt sich manchmal aus, liebe Anna.