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La Guajira – am nördlichsten Punkt Südamerikas Teil 2

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Noch einmal überqueren wir die Bahnschienen. Dann begleitet uns ein langes Pfeifen. Am Horizont taucht ein Zug mit über 150 Waggons auf. Es ist der ewige Zug, der scheinbar kein Ende hat, der den endlichen Bodenschatz von La Guajira abtransportiert. Wir haben uns um 8 Uhr von Cabo de la Vela auf den Weg in den Norden der Halbinsel La Guajira gemacht. Es ist eine Fahrt ohne Wege. Hier bedarf es einen Allrad-Antrieb. Hier wissen wir, dass wir uns nun endgültig in ein sehr abgeschiedenes Gebiet hervorwagen. In ein Gebiet, das den nördlichsten Punkt des Festlands Südamerikas darstellt. Immer wieder passieren wir sandige Strecken zwischen den Kakteen, dann wieder steiniges, kurviges Terrain. Unsere Körper kämpfen gegen das Geruckel der imaginären Straße an. Ein wenig erinnert die Fahrt an die Mongolei. Stille macht sich im Auto breit. Längst haben Boygroups der 90er Jahre die landestypischen Vallenato-Gesänge abgelöst. Bei jedem Stopp ziehen wir uns zum Schutz gegen die gnadenlose Sonne Tücher über den Kopf. Es ist heiß, sehr heiß.

 

Gegen 11.30 Uhr halten wir an einem riesigen Sandfeld, das sich vor uns auftürmt. Zwei andere Autos stehen bereits hier. Das sind die Dünen von Taroa, meint unser Guide Joaquin. Und schon stapfen wir schweren Schrittes durch die Mittaghitze und sehen wie er hinter uns am Horizont verschwindet. Wir bewegen uns immer der Kante entgegen, hinter der wir das Meer vermuten. Die Spuren unserer wenigen Vorgänger verwehen noch in dem Moment, in dem der Fuß den Sand berührt. Es ist nicht nur eine Düne, in der wir uns befinden. Das hier ist eine Wüste, die plötzlich steil in das Meer abfällt. Als wir an der 60 m hohen Oberkante dieses Sandfeldes stehen und den Hang hinabsehen, hält uns nichts mehr. Junge Franzosen, die zeitgleich mit uns ankamen, rollen sich hinab, die anderen watscheln durch den Sand, wieder andere rutschen herunter. Egal wie, am Ende rennt man nur noch in die Wellen der Karibik und genießt die Erfrischung.

Als wir den Strand, an dem sich Wüste und Meer küssen, verlassen, drehen wir uns noch einmal um, und sehen ein Glitzern in der unteren Luftschicht. Wie eine Fata Morgana liegt dieser Ort in einer Blase zwischen Traum und Realität, der im Rückspiegel ebenso schnell verschwindet wie er vor uns aufgetaucht war. Dann stoppen wir an einem kleinen Mirador und haben einen herrlichen Ausblick auf die türkisfarbene Bahia Hondita, bevor wir das letzte ruckelige Stück zur Ranchería von Chander fahren. Durch ihre Lage auf einer Anhöhe ist man hier nicht nur dem Wind besonders stark ausgesetzt, sondern hat auch einen schönen Blick über die Bucht und das Meer. Schweigend sitzen wir auf der Terrasse des offenen Restaurants. Die Zeit zählt runter und bleibt doch zugleich stehen. Alles um uns herum ist Natur. Eine Natur, die nur mit dem zweiten Blick, dem mikroskopischen, Leben hervorzaubert. Hier eine Echse, da eine Spinne. Karge Büschel streben nur widerwillig gen Sonne. Wir fragen uns, wo die Wayuu-Familie das Essen herzaubert – fernab von jeglicher Zivilisation.

Am Nachmittag fahren wir noch einmal zur Bahia Hondita – sehen verlassene Schiffswracks vor den Mangroven liegen. Kleine Kaimane soll es hier auch geben, doch diese halten sich vor uns versteckt. Wir setzen die Fahrt fort zum Leuchtturm von Punta Gallinas – an dieses Stück Küste treffen die Wellen besonders gewaltig auf das Land. Was Kap Hoorn im Süden des Kontinents ist, ist Punta Gallinas im Norden – eine Begrenzung des Kontinentalfestlands Südamerikas. Nur den harschen Wellenschlag vernehmen wir, als wir uns auf die Steine niedersetzen. Niemand, der hier lange verweilt. Nichts, außer ein Leuchtturm mit Landkarte, der auf diesen besonderen Ort hinweist. Neben dem harten Wellenschlag und dem rauen Wind bleibt mir nur die endlose Weite in Erinnerung. Ein Ort, an dem die Naturkräfte an einem zehren. Wir müssen weiter, ermahnt uns Joaquin, denn es gibt da ein Ort, an dem die Sonne besonders szenisch ins Wasser plumst. So sehen wir die Sonne am Strand Punta Aguja untergehen – nur ein Fußmarsch von unserer Ranchería entfernt.
Und dann kuscheln wir uns in unsere prächtigen Chinchorros (große, schön verzierte Hängematte), versuchen uns vor dem Wind zu schützen, der heftig und kühl in unseren Unterschlupf bläst. Die Franzosen besorgen sich noch einen Verstärker der ohnehin schon starken Gefühle – auch am abgelegensten Örtchen scheint dies zu funktionieren. Doch wo die Routen der Drogenkuriere entlanggehen, scheint auch für den kleinen Touristen etwas abzufallen.

Am nächsten Morgen nehmen wir nach dem Frühstück das Boot, das uns in 10 Minuten zum kleinen Strand in der Bahia Hondita übersetzt. Unser Fahrer ist schon eine Stunde vorher mit dem Geländewagen losgefahren, um uns von dort abzuholen – so weit ist die Anreise mit Auto verglichen zum Boot.

Als wir uns wiedertreffen, fahren wir den direktesten Weg nach Uribia, wo wir Mittagessen. Immer wieder fallen an diesem Morgen meine Augen zu, die Fahrt ist anstrengend. Gerade als ich wieder nah am Schlummern bin, sehe ich aus einem Augenwinkel einen Mopedfahrer, der geradezu in unser Auto reinläuft. Ein Aufschrei begleitet das Geräusch des Aufpralls. Und dann ist Stille. Ich habe ein kurzes Déjà-vu. Einen Moment zögert unser Fahrer und bleibt mit seinem Fuß auf dem Gas. Als er zum Halten kommt, sehen wir hinter uns den reglosen Mopedfahrer liegen. Es ist wie ein Traum im Traum. Wenn Träume sich negieren werden sie zum Albtraum. Wir fahren zurück, erst als wir aussteigen im Gewirr der entsetzten Wayuus, die zum Unfallort geeilt kommen, regt sich der Mann leicht. Er ist alkoholisiert, doch wichtiger ist, er lebt. Schnell steht er wieder auf seinen wackligen Beinen und beginnt zu diskutieren. Dinge werden geregelt, es dauert eine Weile, bis wir die Fahrt fortsetzen. Doch nichts ist mehr wie zuvor.

Auch das Mittagessen in der Stadt hilft nicht über den Schock hinweg. Das Ende dieser Tour ist still, sehr still. Nur eine halbe Stunde, nachdem wir unsere Fahrt fortgesetzt haben, hören wir einen lauten Knall am hinteren Heck. Ein Junge hat unseren Wagen mit einem Stein beschmissen. Nicht klein ist dieser gewesen. Es ist, als wollte uns der negative Lauf, den wir nun aufgenommen haben, noch eine Weile begleiten. Unser Fahrer bemerkt, dass irgendetwas nicht mit unserem Auto stimmt, 10 km vor Riohacha kommen wir zum Stehen. Ein Freund von Joaquin holt uns ab. Wir können nur vermuten, was das Problem war. So hatte Joaquin anders als auf der Hinfahrt eine Straßensperre mit Gummiband der Wayuu-Kinder ungeduldig durchfahren, anstatt zu halten und mit Süßigkeiten zu zahlen. Dabei war das Band unter der Motorhaube hängengeblieben und hat darin wohl einiges durcheinander gebracht. Hektisch verabschieden wir uns von Joaquin an dieser Straße – irgendwo zwischen Riohacha und venezolanischer Grenze. Es ist ein schwarzer Tag für Joaquin und auch wir können den Ausklang dieser Tour nicht wirklich genießen. Still ist der Abschied auf dieser Straße ins Nirgendwo – Richtung Ende Südamerikas.

Was man noch wissen sollte?
La Guajira war vor ein paar Jahren noch als Geheimtipp nur abenteuerlich zu erreichen. Inzwischen hat sich dies geändert und man kommt sogar individuell hierhin.
Von Santa Marta nimmt man einen Bus, der in ca. 3 Stunden Riohacha erreicht. (21.000 Pesos) von Riohacha nach Uribia sind es mit Bus 1,5 Stunden (12.000 Pesos). Von Uribia geht es mit Collectivos mit zwei Sitzbänken hinten weiter nach Cabo de Vela. Die Fahrt dauert zwei Stunden und kostet 15.000 Pesos. Ab Cabo benötigt man ein 4Wheel. Wir wurden angesprochen. Die Fahrt dauert ca. 2-3 Stunden und kostet ca. 140.000 Pesos.

Cabo de Vela: weiß-orange Sandstrände wie Ojo de Agua (1,5 Stunden Walk), Playa el Faro (1,5 Stunden Walk), Playa el Pilar (1 Stunde Walk) oder Playa Pilón de Azucar (1h Walk).

Punta Gallinas: 30 Minuten von Punta Gallinas entfernt liegen die fantastischen Dünen von Taroa. Zum Leuchtturm kann man in 45 Minuten laufen. Strände wie Playa Cristalina, Playa Rocosa und Punta Aguja.

Zum Teil 1 unserer Tour nach La Guajira

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