Alle Artikel in: Russland

Berichte aus Russland

Ekaterinburg

Nach Asien auf dem Landweg. Transsib Teil 2

ENGLISH VERSION HERE Es muss irgendwann um 11 Uhr gewesen sein, als wir das überquerten, was man als Grenze zwischen Europa und Asien bezeichnet. Auf der echten Transsibstrecke ist dies wohl der Kilometerstein 1777. Auf unserer tatarischen Strecke blieb uns der Blick auf den Steinobelisken mit der Aufschrift „Europa-Asien“ verwehrt. Zudem sollte man sich laut Reiseführer für ein gutes Foto in den Speisewagen begeben, den es in unserem Zug ohnehin nicht gab. Also reisten wir ohne großes Brimborium und ohne Beweisfoto auf dem asiatischen Kontinent ein. Als wir mittags das häufig genannte Tor Asiens, Jekaterinburg, erreichten, schweifte als erstes mein Bick am Bahnhofsgebäude entlang. Vergeblich suchte ich den Schriftzug mit Sverdlovsk, wie die Stadt einst von 1924 bis 1991 hieß und den man laut Reiseführer am Bahnhof noch immer finden sollte. Scheinbar hat man in der Zwischenzeit die Buchstaben ausgetauscht und der Name des bolschewistischen Ministerpräsidenten Jakov M. Sverdlovsk ist endgültig aus dem Stadtbild verschwunden. Umso präsenter ist Zarenfamilie, die 1918 in Jekatarinburg ermordet wurde. Ihre Überreste wurden an einem geheimen Platz verscharrt, doch nach …

Kasan, Russland

Missverständnisse und der Luxus Bahnreisender. Transsib Teil 1

ENGLISH VERSION HERE Boah… das war der erste Gedanke, als wir am Abend des 24. August in den Waggon Nummer 5 des Zugs mit der Nummer 2 nach Kasan stiegen. Was mich zum Staunen brachte, war ein erstklassiges Zug-Ambiente, in dessen Genuss wir die nächsten elfeinhalb Stunden kommen würden. Diese überwältigenden Gefühle konnte noch nicht einmal die etwas mürrisch drein schauende Provodniza Oksana vermiesen, als sie uns etwas widerwillig in den Wagen winkte. Sprachbarrieren können gebrochen werden – meist hilft nur ein Lächeln. Doch dieses geht manch einem Russen nur schwer über die Lippen, wie wir in den vergangenen 2,5 Tagen bemerkten. Ich nichts verstehen und schnell wegdrehen, leider war das zu häufig die Reaktion auf all unsere Fragen. Und dann führen Sprachbarrieren manchmal auch zu einem ganz seltsamen Missverständnis. Eine seltsame Taxifahrt Aufgrund meiner andauernden Muskelfaserriss-Probleme im Bein wählten wir anstatt der Metro das Taxi zum Kazaner Bahnhof. Ein ungefährer Preis wurde uns vom Hotelpersonal genannt. Als uns dann der Taxifahrer zum Wagen begleitete, ohne auch nur einmal seine Hilfe anzubieten, entgegnete er uns …

Moskau

Hop on, hop off und manchmal geht gar nichts … Moskau Teil 2

ENGLISH VERSION HERE „Der Kreml war immer wieder Schauplatz von Konflikten…“, einen inneren Konflikt trage ich tatsächlich mit mir aus, als ich im Alexandergarten die riesige Schlange an den zwei Kiosken erblicke. Das Wirrwarr an den Kassen ist nur schwer zu durchschauen. Beim genaueren Hinschauen erkenne ich eine lange und drei mittellange Schlangen. Intuitiv rennt jeder ans Ende der langen Schlange. Wird ja schon eine Bedeutung haben, dass diese Schlange so lang ist. Nach und nach erkennen immer mehr, dass die mittellangen Schlangen ebenso zum Wachsen da sind. Endlich an der Reihe, erfahren wir, dass wir erst in einer Stunde die Karten für die Rüstkammer erwerben können. Jetzt ratet mal wo! Genau diese Schlangen werden dann noch einmal zu passieren sein, wir verzichten bescheiden auf die Schätze der Zaren und fragen nach dem Glockenturm. Zum Glück meines Beins und dessen Genesung ist eine Besteigung der 137 Stufen aktuell nicht möglich. Na, das geht ja schon gut los. Aber den Kreml können wir uns schon noch ansehen? Yes, we can! Und so strömen wir mit den …

Basilius-Kathedrale

Moskau – Wo russische Märchen beginnen

ENGLISH VERSION HERE Nach fast einer Stunde Bootstour überschlagen sich plötzlich die Gefühle. Was eben noch nett und schön war, ist plötzlich grandios. Von weitem schon ist er zu sehen in seinem roten Gewand. Als wir uns nähern, scheint es die gesamte Bootstruppe, die aus zahlreichen Blondinen auf hochhackigen Schuhen und mit der Puderdose in der Hand aber auch typischen russischen Muttis besteht, nicht mehr auf den Plätzen zu halten. Aufgeregt wird nach dem Fotoapparat gegriffen und sich zum Posen aufgestellt. Mein kleines russisches Märchen beginnt als hinter der langen, gezackten Kremlmauer mein Lieblingsbauwerk aus Kindheitstagen erscheint. Ein Glücksgefühl überkommt mich, als die farbigen Zwiebeltürme sichtbar werden. Das ist nicht wahr, da steht sie jetzt wirklich, die Basilius Kathedrale! Der Blickwinkel verschwimmt, ich bin jetzt wirklich hier, nur wenige hundert Meter von der Basilius-Kathedrale entfernt und eh ich es so richtig fassen kann, ist unser Boot schon unter der Brücke verschwunden und die Kathedrale nicht mehr sichtbar. Genauso wie das Haus meiner Kindheitsträume vor mir verschwindet, schien auch meine Reise einen kurzen Moment auf der …

Transsib

Go east, go Transsib – Reise auf Rädern

ENGLISH VERSION HERE Wer mich kennt, weiß, dass ich mich auf meinen bisherigen Reisen eher westwärts bewegt habe. Oder südlich. Aber östlich, das ist schwierig. Warum, weiß ich auch nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich „aus dem Osten bin“ und damit meine eigene innere Waage austarieren will. Dabei wollte ich doch immer in den Osten – noch weiter, tiefer Richtung Sibirien. Als ich in der fünften Klasse mit Begeisterung alle möglichen Flüsse, Gebirge und Städte der Sowjetunion auswendig lernte und dann noch die hieroglyphenartige Sprache, dieses kyrillische Alphabet, war ich Stolz wie Bolle. Das „erste Fremde“ in meinem Leben hatte durchaus seinen Reiz. Zahlreiche Brieffreundschaften wurden aufgenommen und Monat für Monat Baustein für Baustein aus dem kleinen Zauberbuch „Briefe an Freunde“ aneinandergereiht. Heute kann ich es zugeben, meine Hobbys waren nicht Kochen und Backen, diese standen einfach nur unter „Freizeitbeschäftigung“ auf S. 54 in diesem Buch. Der Reiz an diesem Fremden verschwand mit der Öffnung der Grenzen. Go west, hieß es dann für mich. Ein Jahr USA brachte mir weniger die USA näher als …