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Mompox ist ein Gefühl {DIARY}

Mompox, Kolumbien

Nur das Quietschen des Ventilators ist zu hören. Ansonsten Stille. Wir sind in Mompox. Zugegeben befinden wir uns eher am Ortsrand im Casa Amarilla – weg vom kleinstädtischen Leben. Auf dem Platz vor der Iglesia Santo Domingo herrscht ein anderes Bild. Hier wurden mit Sonnenuntergang Essens- und Saftstände aufgebaut. Hier bebt sozusagen das Leben. Durch die Calle Real del Medio und Calle de Atras rasen die Mopeds und Dreiräder – nicht ganz geräuscharm. Und auf dem Plaza Santa Barbara vor der verspielten Iglesia Barbara hat sich eine Gruppe an sportwilligen Damen zusammengerottet, um in der noch immer brütenden Hitze Zumba zu tanzen. An der etwas trostlosen, vermüllten Uferpromenade trinkt man noch einen kleinen Absacker bei guter Salsamusik. Doch hier im Hof des Casas schnurrt einzig und allein der Ventilator während sich die meisten der anderen Gäste in ihre mehr oder minder gekühlten Zimmer zurückgezogen haben.

Mompox – am Fluss

 

Haus in Mompox

Mompox ist heiß, das ist klar. Zählt diese Stadt gar zu den heißesten des Landes. Das und auch der eigentlich beschwerliche Weg hierher hielten uns jedoch nicht davon ab, endlich diese Stadt auf einer Insel im Rio Magdalena (am Seitenarm Brazo Mompox) aufzusuchen. Was beschwerlich ist, macht neugierig.

Kühe am Fluss vor Mompox

Unsere Hausherrin in Cartagena hatte uns einen schnellen „Bus“ versprochen. Um 5 Uhr morgens fuhr aber weniger ein Kleinbus als viel mehr ein Pick-Up vor, der maximal vier Passagiere transportieren konnte. Das soll sich lohnen? Tatsächlich nahm neben uns nur noch ein weiterer Passagier im Pick-Up Platz, so dass wir zügig loskamen. Die erste Stunde der Fahrt war dunkel und hektisch. Ein Arbeitstag brach an, und so befanden sich noch vor 6 Uhr morgens alle auf der Straße, die zur Arbeit mussten. Die nächste Stunde verhieß Romantik, als über den Feldern und Ausläufern der Cienaga der Nebel aufstieg und der Sonne Platz machte. Die Vögel stimmten ein Konzert an, das sich bis in unser Auto vorarbeitete.

Bootsjunge

Nach ca. zwei Stunden in El Carmen de Bolivar verließen wir bereits die Straße nach Medellin. Nun wurde es weniger geschäftig und wir kreuzten nur noch wenige Dörfer auf dem Weg nach Bosconia. Rinder wohin wir sahen. Mehr als auf unserer Reise durch Patagonien. Da sage mal noch einer, Argentinien stehe für Steaks. In Gloria nahmen wir nach einer Frühstückspause den Abzweig Richtung Mompos. Von nun an ruckelte es auf ungeteerten Straßen. Doch die Bagger stehen schon bereit. Lange läßt sich der Fortschritt auch hier nicht aufhalten. Doch wer Mongolei erprobt ist, stört sich an Holperpisten ohnehin weniger. Der Rio Magdalena ließ noch zwei weitere Stunden auf sich warten. In der Siedlung Peñoncito, die durch ihre Staubstraßen mit zahlreichen Verkehrsschildern besticht, setzten wir mit einer kleinen Fähre über.

Mompox

Kurz nach 11 Uhr erreichten wir Mompox, Weltkulturerbe der Unesco. Weiße Häuser mit geschmiedetem Ziergitter vor den Fenstern, hohe Torbögen, die Blick in das noch beeindruckendere Innenleben der von Sevilla geprägten Hinterhöfe gewähren. Patios mit einer Pflanzengewalt, mit Springbrunnen und stilvollem Holzmobiliar. Hier schaukelt sich die Bevölkerung durch die Hitze. Gern wird der Schaukel (wahlweise auch Plastik-)stuhl nach Sonnenuntergang vor die Tür gestellt. Das Leben findet auf den Straßen statt oder eben in den großzügigen Patios. Die Zeit ist stehen geblieben, sagt man, zumindest fast. Denn laut knarren die Mopeds durch die Straßen. Ein bisschen Urwaldfeeling kommt auf. Assoziationen zu Leticia im äußersten Süden Kolumbiens am Amazonas drängen sich auf. Von der Außenwelt scheinbar abgeschiedene Orte scheinen alle ihrer eigenen, aber doch gleichen Dynamik zu folgen.

Mit den Betreibern des Bioma

Ein gesprächiges Rentnerpaar, das das Bioma betreibt, drückt es so aus: „Hier gibt es nichts zu sehen. Aber gerade deshalb kommt man hierher. Nur der Stadt wegen, nicht um Sehenswürdigkeiten à la größer, schneller, besser zu bestaunen.“
Mompox ist ein Gefühl. Das verstehen wir. Vielleicht hat uns deshalb auch von Anfang an Leticia am Amazonas so gefallen. Das Prinzip scheint übertragbar zu sein. Das Stöhnen der Reisenden liegt immer in der Luft. Die meisten wollen schnell wieder weiter. Die Stadt hat man tatsächlich nach wenigen Stunden mit all ihren Straßen, Plätzen und Kirchen angesehen. Nun lockt die Umgebung.

Leguan

Wir begeben uns auf eine vierstündige Bootsfahrt mit Fußmarscheinheiten, um die Umgebung zu erkunden. Die Cienaga lockt mir ihrer vielfältigen Fauna. Besonders Vogelfans kommen hier auf ihre Kosten. Auf der Insel Leon machen wir Halt und beobachten Affen. Eine momposinische Familie lädt uns auf einen Kaffee ein. Die Natur ist aktuell eher etwas karger, so wie auch die Hitze eher trocken ist. In der Regenzeit kippt Klima und Natur. Dann steht der Dunst und auch das Wasser in den Straßen. Flächen werden überspült, ganze Häuser verschwinden. Kolumbianer sind zäh, die hören Musik und trinken ihren Aguardiente, so der Guide. So überstehen sie kleine und große Katastrophen. Sicherlich eine Erklärung auch für manch andere Desaster. Der Tourist lacht und freut sich über so viel Lebenslust. Überschwemmt auch mein ganzes Hab und Gut, Hauptsache ich tanze und saufe. Viva Colombia! Hauptsache, ich lebe! Totó la Momposina, die wohl berühmteste Sängerin der Stadt, zeichnet in ihrem Song El Pescador ein realistischeres Bild: „Der Fischer spricht mit dem Mond, hat kein Glück, nur seine harte Arbeit“.

Autor: Madlen Brückner
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