Viele haben uns gefragt, wie es so ist, mit „der“ Transsib zu reisen, mit dem rollenden Hotel oder dem Hotel auf Rädern. Auf dem Streckennetz der Transsib tummeln sich jedoch viele verschiedene Zugtypen. Die Experten unter Euch wissen es ohnehin schon – die Transsibirische Eisenbahn ist lediglich ein Streckennetz, das die Städte Moskau und Wladiwostok mit dem Zug verbindet.
Wir haben für unsere Reise eine Kombination aus dem klassischen Transsib-Streckennetz und dem Transmongolischen Streckennetz gewählt, das uns dann von Ulan-Ude über die Mongolei nach Datong und schließlich nach Peking führte.
Nein, wir sind nicht dritte Klasse gefahren, obwohl diese Variante inzwischen auch viele Reisende aus Lust am Abenteuer, der Nähe zu den Menschen und aus finanziellen Gründen wählen. Die dritte Klasse besteht aus einem offenen Waggon, in dem die Doppelstockbetten wie in einem Schlafsaal für 54 Platz bieten.
Wir haben unsere Tage und Nächte auf dem Streckennetz zwischen Moskau und Peking in Abteilen der 1. und 2. Klasse verbracht, obwohl man die ohnehin nicht wirklich unterscheidet. Mal ist man eben im Zweierabteil und mal im Viererabteil. Zwischen den Klassen muss es also keine Unterschiede geben wohl aber zwischen den Zugnummern. Je kleiner die Nummer, desto besser soll es sein. Wir haben uns auf unserer Reise zwischen Zugnummer 2 und 378 bewegt und nehmen Euch mit in die Welt der russischen und chinesischen Züge.
Zugabschnitt Moskau – Kasan | Zugnummer 2 | Waggon-Nr. 5
Abfahrt: 22:08 | 24.8.2013 | Ankunft: 9:27 Uhr | 25.8.2013
Im Zug Nummer 2 nach Kasan glänzt alles. Leider kommen wir nur viel zu kurz in das Vergnügen.
Eine Provodniza kommt auf drei Passagiere. Und zudem gibt es noch einige Gratis-Gimmecks. Äpfel, Kuchen, Riegel, Kaffee sind nur der Appetizer, denn kaum rollen wir los, wird uns schon die Menükarte gereicht. Das Abendessen ist inkludiert.
Zahnbürste, Augenbinde, Hausschuhe, Nähset … aber was soll ich denn mit einem Schuhanzieher? Ein Fernseher blinkt von der Wand, auch wenn wir ihn nicht benötigen.
Dieser Zug ist unser Benchmark und setzt leider die Latte sehr hoch für die nächsten Züge. Eines sei vorweg genommen, diesen Zug konnte kein anderer toppen.
Zu unserer Reise
Zugabschnitt Kasan – Jekatarinburg | Zugnummer 378 | Waggon-Nr. 15
Abfahrt: 20:08 | | 25.8.2013 | Ankunft: 12:25 Uhr (10:25 Moskau) | 26.8.2013
Zugnummer 378? Oh je! Wo hängt noch mal die Messlatte? Sehr weit weg von dieser Nummer, das ist gewiss! Willkommen in der schönen normalen Zugwelt Russlands. Doch andere, russische Passagiere bestätigen uns, das ist auch für ihre Verhältnisse ein eher schlechter Zug. Alles sieht abgegriffen aus, aber sauber ist es dennoch, dank unserer Sauberkeitsfee, die Provodniza. Dennoch zieht es aus jeder Ritze, die Heizung scheint nicht zu funktionieren. Unser Abteil befindet sich neben dem Waggonklo, und das riecht man!
Bei der Provodniza kann man sich mit vielen kleinen Dingen eindecken. Aber das Abteil überzeugte uns auf dem ersten Blick nicht ganz.
Wirklich alles in diesem Zug hat seine besten Tage hinter sich. Dennoch, auch im Bad ist immer Toilettenpapier und Handseife vorhanden und Handtücher sind auch inklusive.
Ich bin nicht unfroh, als ich diesen Zug mit einer triefenden Nase verlasse. Noch die Folgetage führe ich das Andenken an diesen Zug bei mir – ne fette Erkältung!
Zugabschnitt Jekatarinburg – Krasnojarsk | Zugnummer 56 | Waggon-Nr. 6
Abfahrt: 21:05 (19:05 Moskau) | 26.8.2013 | Ankunft: 8:40 Uhr (4:40 Moskau) | 28.8.2013
Zug Nummer 56 war eine totale Überraschung. Und das trotz etwas höherer Zugnummer. Ja, es war mal wieder die 1. Klasse. Schlicht, aber blitzsauber, Zweibettabteil und wie gewohnt von den besseren Klassen bekamen die wenigen Passagiere in diesem Nobelwaggon zwei Bäder geboten. Auf dem zweitlängsten Teilstück unserer Reise richteten wir uns in unserer Komfortzone ein. Es ist mein zweitliebster Zug unserer Reise.
Und unsere Provodniza war auch nicht übel, als sie uns gleich von einer besonderen Komfortzone im Nachbarwaggon berichtete. Gegen einen kleinen Opulus könnten wir die Dusche dort benutzen.
Zugabschnitt Krasnojarsk – Irkutsk | Zugnummer 80 | Waggon-Nr. 9
Abfahrt: 14:28 (10:28 Moskau) | 29.8.2013 | Ankunft: 9:38 Uhr (4:38 Moskau) | 30.8.2013
Nach Zug Nummer 56 stieg ich nun auch recht optimistisch in die Nummer 80 ein. 24 Nummern dürften ja nicht so viel Unterschied machen.
Nun, vielleicht steht die 14 für die Jahre, die dieser Zug mehr auf dem Buckel hat. Die Passagierstruktur hingegen war alles andere als so alt, wie diese Waggons. Hier turnten die Kinder die gesamte Nacht durch die Gänge während die Erwachsenen den Lärm mit ihren mitgebrachten Radios und Laptops wegzaubern wollten, zu Lasten meiner Ohren. Ansonsten aber alles bestens! Was ist schon die schöne neue Plastikwelt gegen solch ein mit Leben gefülltem Holzplattenexemplar.
Letztendlich nehme ich diesem Zug nur für übel, dass ich nicht wie gewohnt ans Ende des Zugs gehen konnte, um von dort aus die Schienen zu filmen. Denn der letzte Waggon soll laut anderer Passagiere ein nordkoreanischer gewesen sein und zu dem gibt es nunmal keinen Zugang.
Zugabschnitt Irkutsk – Ulan-Ude | Zugnummer 8 | Waggon-Nr. 10
Abfahrt: 21:20 (16:20 Moskau) | 5.9.2013 | Ankunft: 3:41 Uhr | 6.9.2013
Zug Nummer 8 hatte einen schweren Start. Jawohl, ich fragte mich ohnehin schon längst, wie es die russischen Bahnen schafften, immer auf die Minute pünktlich zu sein, bei solchen langen Distanzen und wollte bereits meinen Hut ziehen mit einen kleinen Denkanstoß an Herrn Grube, bis wir dann in Irkutsk am Bahnhof saßen. Die Verspätung summierte sich auf. Hätte man uns gleich 2 Stunden vorm Latz geknallt, hätte ich gesagt, „so well“. Stattdessen bekam man die Verspätung im 20 Minuten-Takt gereicht und machte mich immer wahnsinniger. Die schönste Strecke der ganzen Reise verschob sich minütlich in die Nacht. So wollte ich dann auch nur noch schlafen, als der Zug endlich vorfuhr. Die Strecke war ohnehin zu kurz, um sich der Zugumgebung hinzugeben, die zugegebenermaßen für meinen Geschmack etwas zu plüschig ausfiel.
Zugabschnitt Ulan-Ude – Datong | Zugnummer 4 | Waggon-Nr. 5
Abfahrt: 13:45 (8:45 Moskau) | 7.9.2013 | Ankunft: 7:59 Uhr | 9.9.2013
Zug Nummer 4! Yippie, was habe ich mich gefreut, endlich in der „legendären“ transmongolischen Bahn zu reisen. Doch man sollte sich bewusst sein, ab hier hört es mit dem Exotenstatus spätestens auf. Jeder Russe und Chinese ist exotischer als der einzelne Tourist. Das ist fast wie im Hostel, hier trifft man eben viele Reisende und tauscht sich aus.
Plötzlich taucht man in einer chinesischen Welt ab. Auf dem ersten Blick ist alles eher minimalistisch, was nach manch einem Plüschwaggon der russischen Züge mal erfrischend ist, doch leider verliert der Minimalismus an Vorteil, wenn sich das Prinzip „weniger ist mehr“ auf die Sauberkeit überträgt. Die Schaffner hielten es nach meinem Geschmack nicht wie ihre russischen Kolleginnen für nötig, den Putzlappen zu schwingen, so kamen wir bereits in ein verdrecktes Abteil, das in jeder Ritze und Ecke Staub angesetzt hatte.
Was machen die Schaffner, wenn sie nicht für das Wohl der Passagiere sorgen, nun ja, mir schien es so, als wären sie stets mit ihrem Leibeswohl beschäftigt.
Im Bordrestaurant verstand man jedoch endlich mal ein paar Brocken Englisch, was wohl der Passagierzusammenstellung geschuldet ist. Hier schlugen wir unser Restgeld bis zur chinesischen Grenze auf dem Kopf. Dann wurde uns ein chinesischer Speisewaggon angekurbelt. Der bestach leider wieder durch seinen Minimalismus, verglichen zum geschnitzten Dekor der Mongolen.
Nicht nur unser Abteil und der Gang setzten Staub an, sondern auch die Toilette befand sich im permanenten Nasszustand. Der Geruch ließ meinen Gedankenspielraum offen, um welche Flüssigkeit es sich da auf dem Boden handelte. Ich sehnte mich nach (fast) jedem Bad der russischen Züge zurück, die von den Provodnizas auf Hochglanz poliert wurden.
Zugabschnitt Datong – Peking | Zugnummer 218 | Waggon-Nr. 10
Abfahrt: 21:56 | 10.9.2013 | Ankunft: 4:11 Uhr | 11.9.2013
Wie auf dem Flughafen, ist hier das Prozedere. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass man ca. 30 Minuten vor Abflug auf einen Flieger gelassen wird. Hier waren es 5 Minuten vor Abfahrt. So begannen alle Richtung Bahnsteig zu rennen und wir verloren total den Überblick und irgendwie auch das Gefühl für die Waggonnummer. So rannten wir den nicht kurzen Zug auf und ab und als nach der letzten Ansage alle in die Waggons eilten, bestiegen wir auch umgehend den Zug, an einer äußerst ungünstigen Stelle. Dass wir falsch waren, wussten wir, aber dass man sich nach dem Einsteigen erst einmal ewig nicht durch den Zug bewegen kann, hatten wir nicht auf dem Schirm. So quetschten und zerrten wir uns durch die 3. Klasse Waggons, bis wir endlich Waggonnummer 10 erreichten. Und hier wartete gleich hinter der Toilette eine saubere, bezugsfertige Kabine auf uns. Auch eine Thermoskanne stand zur Begrüßung auf unserem Tisch bereit. Leider fiel ich nur noch fertig von der Sprinteinheit ins Bett und wachte erst wieder auf, als die Schaffnerin uns 30 Minuten vor Peking weckte.
Somit bleiben meine Erfahrungen in diesem Zug auf unser Abteil, den Gang und die blumig geschmückten Waschräume begrenzt.
Auf unserer Reise wurden wir durch Lernidee unterstützt. Alle Ansichten sind unsere eigenen.
Zum Teil 1: Moskau – Wo russische Märchen beginnen.
Zum Teil 2: Hop on, hop off und manchmal geht gar nichts … Moskau Teil 2
Zum Teil 3: Missverständnisse und der Luxus Bahnreisender. Transsib Teil 1
Zum Teil 4: Nach Asien auf dem Landweg. Transsib Teil 2. Jekaterinburg und die Fahrt nach Krasnojarsk
Zum Teil 5: Durch Sibirien. Transsib Teil 3
Zum Teil 6: Am Baikalsee. Transsib Teil 4
Zum Teil 7: Irkutsk – das Paris des Ostens? Transsib Teil 5
Zum Teil 8: Über Ulan-Udè, Bator und unseren letzten Tag in Russland. Transsib Teil 6
Zum Teil 9: Zug Nummer 4 – und einmal durch die Mongolei. Transsib Teil 7
Zum Teil 10: Datong und die Tour mit den Touren. Transsib Teil 8
Zum Teil 11: Peking – wo Drachen in den Himmel steigen
Zum Teil 12: Im Dunstkreis der Mauer oder 40 Minuten verschwendete Lebenszeit
Die Wagen sind „die besten“ aus dem Bestand der DR der Deutschen Reichsbahn modifiziert in den 70 ger
Jahren. Hier kann noch von einer „Eisenbahn“ gesprochen zu werden. Tempo müßen diese Wagen ja auch
nicht mehr aushalten. Interessant zu sehen. Danke. Alter Bahnfan. Spaciba.
Danke lieber Bahnfan Hans für die Information. Ja, von Geschwindigkeit konnte auf der gesamten Strecke keine Rede sein 😉 LG, Madlen
Hallo, ich bin grad in der Vorbereitungsphase für die Transsibir und verzweifle grade an den Visas. Wie habt ihr das gemacht? Über eine Agentur? Hattet ihr dafür alle Unterlagen bereits vorliegen (Ticket und Hotelbuchungen). Finde den bürokratischen Aufwand grade etwas hoch aber lässt sich wohl nicht vermeiden.
Ja, leider ist das viel Bürokratie. Für uns hat das zum Glück Lernidee übernommen. Die Zugtickets selbst haben wir auch erst in Russland erhalten. Es gibt viele Agenturen, die bei Visaangelegenheiten helfen und das lohnt sich. LG, Madlen