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Wenn Reisen eine Flucht ist

Happiness

Reisen ist eine Droge, von der man schwer loskommt. Sie radiert einfach für einen Moment all die Dinge aus dem Gedächtnis aus, die uns bedrücken. Sie lässt uns vergessen. Sie kann aber auch heilen. Als ich meine Leidenschaft für andere Länder entdeckte, wusste ich nichts von dieser Wirkung. Ich war einmal im Jahr high, ohne es bewusst zu steuern. Ich tankte Kraft für den Alltag und öffnete den Blick, mit dem ich nach meiner Rückkehr sah, auf welch hohem Niveau sich unser Jammern abspielt. Doch seit dem vorletzten Jahr folge ich immer mehr dem Reflex, wenn es mir nicht gut geht, setze ich mich in den Flieger – weil ich es kann. Mit dem Ergebnis, dass die Droge nicht mehr wirkt. So wie jedes Medikament seine Wirkung verliert, wenn es im Dauereinsatz ist. Denn auf die Dosis kommt es an. Hinzu kommt, dass sie ein Stimmungsverstärker ist. Was bringt es mir, auszureisen, wenn mich am Ende doch alles einholt. Ich kann nicht vor mir selbst ausreisen und dem Ballast, den man mit sich trägt.

Madagaskar

Das erklärt vielleicht auch mein etwas gespaltenes Verhältnis zu einer meiner letzten Reise auf die Philippinen. Ich hätte überall sein können, am schönsten Strand der Welt, in der Südsee, in der Antarktis und doch nichts genießen können, denn ich ruderte in stürmischer See. Hätte ich gewusst, dass die Philippinen ein kleines Honeymoon-Paradies sind, wäre meine Wahl sicherlich auf ein anderes Ziel gefallen – vielleicht Russland oder Alaska. Ob Madagaskar, Seattle, Vancouver, Zypern – im 1. Halbjahr 2016 waren all diese Traumdestinationen nur Punkte im Koordinatensystem des Lebens, die sich beliebig verschieben ließen. Die Wirkung der Droge Reisen ( auch das Nachjagen nach dem einzigartigen Moment) verlor ihre Wirkung und brachte immer mehr Nebenwirkungen zum Vorschein.

Madagaskar

Ich war zuvor häufiger allein auf Reisen, aber wusste doch immer, wohin ich zurückkehre. Mein Gefühl von Heimat ist kürzlich von einem Tag auf den anderen gegangen, hat sich aufgelöst. Ich könnte Nomadin werden, könnte jetzt das machen, wonach mein Herz begehrt, von unterwegs einfach arbeiten. Und doch lähmt mich etwas. Nach 20 Jahren, die es mich nun von der Spree regelmäßig in die Ferne treibt, und 15 Jahren eines ausgleichenden Hafens leide ich ein bisschen an den Nebenwirkungen der schönen bunten Pillen, die Palmenstrände und Felsformationen in der Ferne auf mich ausüben. Und so suche ich neue Ufer auf der schwankenden See – die alles einmal richtig durchschüttelt. Reisen allein macht auch nicht glücklich, ist schon gar nicht das Wunderheilmittel. Zumindest im Moment. Aber es erweitert den Horizont, gibt Impulse für unsere größte Reise – den Ritt durch das Leben.

Madagaskar

PS: Und da ich nicht ganz davon lassen kann, flüchte ich jetzt erst einmal  in die norwegischen Berge in das Nationalparkgebiet Nasjonalparkriket. Vier Tage Wandern, die Welt von oben ansehen, frische Luft schnappen, auspowern und den Kompass neu stellen. Alles, was jetzt noch stören kann, ist Dauerregen.

Teil 1 zum Thema REISEGLÜCK

Und was habt Ihr auf Reisen gelernt? Erzählt es gern im Rahmen der Blogparade von Maria meets Anna, die noch bis zum 30.7.2016 läuft.

2 Kommentare

  1. Ich glaube, dass so etwas wie Wandern in Norwegen besser hilft als ein Südseestrand, um die stürmischen Gewässer durchfahren zu können. Ich persönlich kann mir relativ schnell den Kopf freilaufen. Oder zumindest ein Gedanken- und Gefühlschaos sortieren. Wünsche dir, dass es dir ebenso besser gelingt!

    • Danke für Deine lieben Worte, Naninka. Tatsächlich haben die Wandertage in Norwegen meinen Kopf etwas aufgeräumt 😉 LG, Mad

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