Gähnend schiebt sich der Verkehr morgens um 7 Uhr in das Zentrum San Pedros. Busse, Autos, Trucks, Mopeds, Taxen… alles was Räder hat, rollt langsam vor sich hin. Ähnlich behäbig wie die Kolonne fallen meine schweren Lider immer wieder zu. Um meine Müdigkeit zu unterdrücken, starre ich auf das Kreisen der Räder eines Trucks, der mit uns Schritt hält. Dabei fallen mir Stachel auf, die von der Radkappe abstehen. Truck-Selbstverteidigung in einer der gefährlichsten Städte der Welt? – kommt es mir für einen Moment in den Sinn. An uns ziehen Fast Food-Ketten, Autowerkstätten, Einkaufszentren vorbei. Nichts Ungewöhnliches. Und dann ist da die Reparación de Armas – hier werden auch Gewehre auf Vordermann gebracht. Das Auge sieht das, was es sehen will.
Es gibt Städte, die dienen als Hub, an die führt kein Weg vorbei. San Pedro Sula zählt in Honduras definitiv dazu und bietet zu der Hauptstadt Tegucigalpa eine Alternative. Es sind meine ersten Minuten auf honduranischem Boden nach 12 Jahren. Da sind wieder die Gedanken an damals, als ich mich für Tegucigalpa entschied und bewusst einen Bogen um San Pedro Sula gemacht hatte, weil man uns sagte, hier gäbe es nichts zu sehen und ganz ohne sei es hier auch nicht. San Pedro Sula zog durch die Busscheibe an mir vorbei. Ähnlich geht es mir auch dieses Mal, nur das wir kurze Stopps einlegen – zum Beispiel zum Frühstück. Auf einem Foodmarkt mit vielen Saft- und Baleada-Ständen kommt gleich ein gesprächiger Herr auf uns zu und wie soll es anders sein, arbeitet er für die Bananenindustrie. Um Bananen dreht sich dann auch das gesamte Gespräch, bis wir uns höflich verabschieden. Denn die Zeit drückt und unser Ziel wartet da hinten am Horizont, dort, wo die Bananenrepublik endet, und Kaffee und Tabak das Zepter übernehmen.
Es geht auf’s Land, ins Grüne. Nur eine Stunde nach unserer Landung befinden wir uns auf einer Straße gen Südwesten. Holprig, kurvig soll es wohl werden. Hattie, mein Guide, empfiehlt Reisetabletten, mit denen sie sich eingedeckt hat. Noch auf der Fahrt bereue ich ein wenig, nicht abgelehnt zu haben. Denn schnellt verfehlt die Tablette nicht gerade ihre Wirkung und Nebenwirkung – fast komatöse Müdigkeit. Da kommt mir der Stopp auf der Kaffeefinca Santa Isabel eine halbe Stunde vor unserem Ziel Copan entgegen. Auch wenn mein Körper nach einer Kaffeepause ruft, herrscht auf der Finca mehr Pause als Kaffee. Anstatt Kaffeekirschen zu tragen stehen die Pflanzen in weißer Blüte. Leichter Jasminduft liegt in der Luft. Genau das richtige Ambiente für einen Kaffeespaziergang über Hängebrücken und durch dichtes Blattwerk. In meiner nebulösen Wahrnehmung erscheint mir das Setting fast surreal, als ein Schmetterlingsschwarm mich umkreist. Wir fahren mit einem Traktor den Hügel hinter dem Farmhaus hinauf und laufen ein Stück auf dem Sendero Natural Las Oropendolas zurück. Kaffeepflanzen sind übrigens gesellig. Im Schatten von Banane, Papaya und Eukalyptus im hügeligen Gelände wächst es sich länger und aromatischer. Wieder zurück im Farmhaus der Familie Welchez wird uns dann noch der Prozess des Waschens, Trocknens, Schälens und Sortierens gezeigt und am Ende steht dann doch noch eine Tasse Kaffee.
Etwas wacher machen wir uns wieder auf den Weg – noch einmal winden wir uns die sattgrünen Hügel entlang, dann erreichen wir Copan. Links hinter dem Eingang zu den Maya Ruinen von Copan kommt mir das erste Déjà-vu: eine Tankstelle. Auch an den kleinen Dorfplatz erinnere ich mich, dennoch sieht heute alles viel frischer aus, als es mir damals erschien. Das Leben spielt sich auf und um den kleinen gut bewachten und gesicherten Plaza Copan ab.
Doch wir fahren weiter, überqueren den Rio Copan und fahren noch einmal einen Hügel hinauf zur Hacienda San Lucas. Der spirituelle Platz Gaia ist unser Ziel. Wo sonst Yoga-Stunden gegeben werden, genieße ich nun den Blick in die Ferne. Da drüben liegt Guatemala und dort hinten die Kaffeefarm. Rote Dächer stechen aus dem satten Grün heraus, wohingegen die nahe Ausgrabungsstätte Copan Ruinas hinter dichtem Grünzeug verschwindet. Erst in den Abendstunden fällt die Temperatur auf ein erträgliches Normalmaß zurück. Unter dem sinkenden roten Ball am Horizont beginnen Zikaden, Oropendolas und andere Vögel ihr Konzert. Gratis Ausblick, gratis Musik und ein kühler Drink. Es gibt definitiv Orte, die man zweimal besuchen sollte. ¡Salud Honduras!
Verfolgt die Reise auf Instagram unter #purlatinfever
Ich wurde von Visit Centroamérica eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.
Mehr zu Honduras:
- Gracias a Dios – unterwegs an der Küste von Honduras
- Honduras Reisetipps – das vergessene Land Mittelamerikas
- Maya-Power und 18 Kaninchen in Copan
Guter Artikel, gratuliere. Nun, es mag ja eine Bananenrepublik sein. Honduras ist aber auch eine Zigarrenrepublik. Ich finde, sie wird oft unterschätzt, dabei machen sie hervorragende, meiste etwas mildere Zigarren.