Unser Bus sollte eigentlich um 10.30 Uhr abfahren. Als ich nach der Rechnung fragte und noch einmal nach dem Abholtaxi, holte die Mitarbeiterin René, den Hostelbesitzer aus der Schweiz. Er eröffnete uns, dass er keine gute Nachricht hätte. Die Busgesellschaft hätte angerufen und hat keinen Platz mehr für uns im 10.30 Uhr-Bus. Eine Alternative wäre der 11.45 Uhr-Bus, aber er weiss noch nicht, ob da etwas frei ist. Als alle um 9 Uhr auf Tour gingen, gesellte sich René zu uns und wir unterhielten uns eine Weile – auch über sein Business und erfuhren, dass vor 18 Jahren max. 2 Touristen pro Tag kamen, wohingegen heute vor allem Deutsche ganzjährig kommen. Wir hätten uns gern noch länger mit ihm unterhalten können, aber wir mussten noch packen und dann wurden wir um 11.15 Uhr abgeholt und in den Ort gefahren.
Wir hatten ja nur eine Reservierung, nun bekamen wir Tickets und schlossen gleich Bekanntschaft mit einem Pärchen aus Frankfurt, das auch nach Popayan wollte. Wir wurden mit einem Sammeltaxi zur Kreuzung nach Pitalito gefahren – ca. 6 km entfernt von San Augustin. Eigentlich kamen wir an der Kreuzung 10 Minuten zu spät an, und es sei wohl auch schon ein Bus durchgekommen. Das machte uns schon etwas unruhig. Doch als unser kleiner Bus um 12.20 Uhr um die Ecke schoss, waren wir glücklich. Wir kämpften uns durch den Kleinbus auf die letzten freien Plätze, die natürlich alle hinten verteilt lagen. Dabei stolperte ich gleich mal über einen Karton, aus dem es gackerte. Chickens on Bord! Wie lang bin ich keinen Chicken Bus mehr gefahren. Das erste Stück für eine Dreiviertelstunde war die Straße noch geteert, aber kurvig. Im Ort Isnos hielten wir und klassisch wurde der Schraubschlüssel gezückt. Na das kann ja heiter werden. Durch Ex-Guerillagebiet mit einem auseinanderfallenden Bus.
Das nächste Stück wurde nun sehr schlammig, aber dank der angelaufenen Bauarbeiten – denn Popayan und San Agustin werden wohl bald eine schöne Verbindung erhalten und somit wird der Tourismus noch mehr flutschen – hatten wir schon viele eingeebnete Stücke an Straße. Viele Reisende hatten uns berichtet, dass die Baustellen das Problem des schnellen Vorankommens waren. Denn ständig musste man halten. Dank Sonntag bekamen wir eine nahezu stoppfreie Fahrt geboten. Noch nicht mal einer der zahlreichen Militärposten hatte Interesse an unserem Kleinbus. Als ich den ersten Posten an der Straßenseite im Hochnebelwald erblickte, fiel mein Blick automatisch auf die Stiefel. Was für dumme Sachen man sich doch merkt. Aber Betancourt hatte in der Doku gesagt, das ihr sofort mit dem Schuhwerk der Anhalter klar war, um wen es sich handelte – denn die Guerilla trägt Gummistiefel anstatt Schnürstiefel. Was trägt man wohl im feuchten Hochnebelwald, wenn man für das kolumbianische Militär arbeitet? Wohl auch eher Gummistiefel. Das war dann gleich mal geklärt.
Nach 1,5 Stunden machten wir in einem Ort mit ein paar Hütten Pause. Lunchtime! Nun hatte ich mich gerade so gut eingefahren, aber Kolumbianern ist das Essen nun mal sehr wichtig. So wurde fleißig Sancocho bestellt und dann gings weiter mit dem Bus. Mein junger Sitznachbar wurde indes auch gesprächiger, wenn nicht gleich verständlicher. Er schien mit mir das Spiel zu spielen, wie spreche ich am undeutlichsten und würge dann der vermeintlichen Nordamerikanerin richtig rein, dass sie kein Spanisch spricht. Da musste ich ihn erst einmal aufklären, dass ich eine Europäerin bin – stolze wohlgemerkt. Das Gespräch über mein Herkunftsland, Deutschland, ersparte ich mir, denn Lars‘ alter Sitznachbar war bereits schon zu verunsichert über den Fakt, dass wir eine eigene Sprache in Deutschland sprechen. Die Alternative wäre eben nur Spanisch oder Englisch. Mein Nachbar war inzwischen auch von mir gelangweilt und zwitscherte fröhlich mit bei den heißen Salsasongs. Wir kommen Cali langsam näher, das merkt man auch an der Musikauswahl. Auch die beiden Sitznachbarn übern Gang trommelten fleißig mit. Und irgendwann fiel mein Sitznachbar ständig auf meine Seite, und meine eh schon angeschlagene Wirbelsäule musste ihn stützen. Als dann irgendwann noch sein schief aufgesetztes Hütchen wie ein Huhn auf mich einhackte, schubste ich den jungen Kerl dann doch mal zurück. Der murrte und summte weiter seine Salsasongs.
Ca. 45 Minuten vor Popayan wurde auch die Straße wieder besser – zumindest geteert. Aber auch dieses Mal windete sich hier genau die Straße den Bergen herab. Die letzte Herausforderung für meinen angeschlagenen Magen. Dann fuhren wir in Popayan ein. Die beiden Sitznachbarn über den Gang, begannen sich seit nunmehr einer Stunde heftigst zu bekreuzigen. Als der Jüngere auch immerzu seine Hände rieb und anfing zu schwitzen, wurde es mir etwas mulmig. Ich begann am Ende der Fahrt, die doch so flott verlief, noch paranoid zu werden. Zwischen seinen Beinen versuchte er ein Päckchen zu verstecken. Ich weiss nicht, was ich mir einbildete, aber irgendwie machten sich die Jungs in meinen Augen suspekt. Ich war schneller aus dem Bus draußen, als ich laufen konnte und schnappte meinen Rucksack. Einfach nur weg hier (bevor die Bombe platzt)! Wir nahmen ein Taxi zum Hostel Caracoal, aßen mehr oder weniger beim Italiener, wobei wir einmal über den großen weihnachtlich geschmückten Plaza liefen, der großes Polizeiaufgebot vorwies, und zogen uns dann aufs Zimmer zurück. Denn irgendwie ging’s bei mir gesundheitlich wieder abwärts. Und die Nacht verbrachte ich dann auch in einer Art Delirium. Malaria, Denguefieber oder Einbildung. Zwischen enormen Hitzewallungen, Frostausbrüchen, brecherischen Rückenschmerzen, Durchfall, Erbrechen lag nur die Frage „What the hell is this?“.