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Waldbaden und Wandern im Weltnaturerbe Grumsiner Wald

Grumsiner Wald, Uckermark

„Ich bin noch nie besorgter aus dem Wald gekommen, als ich hineinging.“ Roland Schulz, unser heutiger Naturführer, grinst uns zufrieden an und ergänzt: „Oder kommt ihr schlecht gelaunt aus dem Wald?“
Er untermauert seine Aussage mit kürzlich gelesenen Studien, die besagen, verbringt man mindestens zwei Tage im Monat im Wald, stärkt dies das Immunsystem. Waldspaziergänge sind somit die beste Medizin und Waldbaden im Trend. Und so wollen wir alle unser Immunsystem an diesem Nachmittag stärken, als wir in der gleißenden Mittagshitze unter das kühlende Blätterdach des Grumsiner Buchenwaldes verschwinden.

Grumsiner Wald, UckermarkGroß Ziethen

Wanderung im Grumsiner Buchenwald

Ich folge unserem Naturführer durch das hohe Gras und lausche dem Zwitschern der Grauammer. Kurz hält er inne, möchte wissen, woher wir seien. Dabei schaut er hinauf in die Baumkronen, um sich dann mir zuzuwenden. „Du gehörst zu den 50 % aus Berlin?“ Ja, höre ich mich sagen und spüre den Blick des kritischen Naturführers auf meinen nackten Beinen. Ich wandere gern und trage dabei auch meist eine lange Hose, doch nachdem ich im April bereits den 10,5 km langen orange ausgeschilderten Urwaldpfad durch die Grumsiner Wälder gewandert bin, der auf guten Wegen durch Wiesen und Felder führt, bereue ich sofort meine heutige Kleiderwahl.

Ich gebe zu, ich habe diese Wanderung eher auf ausgetretenen Pfaden erwartet und bin überrascht, als mich schnell die hohen Grasholme am Oberschenkel kitzeln. „Heute Abend solltet Ihr Euch nach Zecken absuchen!“ empfiehlt uns Herr Schulz am Anfang der Tour. Doch nicht nur Zecken fühlen sich in dieser Umgebung sehr wohl. Wir alle haben inzwischen so viel Antimückenschutz aufgetragen, dass es die frische Waldluft nur noch schwer hat, sich durch den Chemieduft zu arbeiten. Kaum sind wir im Wald, zieht jeder einzelne von unserer kleinen Wandergruppe eine Wolke an Stechmücken hinter sich her.

Grumsiner Wald, UckermarkGrumsiner Wald, Uckermark

Wir nehmen den Wanderweg ab Groß-Ziethen, doch bald verlassen wir den mit einen grünen Buchenblatt ausgeschilderten Weg, um uns auch an den Seen des UNESCO-Weltnaturerbes zu erfreuen. Ein kleiner Weg führt uns zwischen Großem und Kleinem Schwarzen See hindurch. Die wochenlange Trockenheit zehrt an der Natur. Äste strecken sich über das Wasser aus, als wollten sie dieses mit all ihren Armen aufsaugen. Die Musterung der Buchen bildet sich auf der Seeoberfläche ab, Wolken legen sich sanft in das Spiegelbild des Waldes hinein. Immer wieder lauschen wir einem Schwarzspecht, immer wieder kommentiert Herr Schulz, dem Vogel sei es nicht recht, dass wir uns hier bewegen. Doch auch wir Menschen gehören hier hin, so wie die Tiere. Da taucht am Horizont des Großen Schwarzen Sees ein Boot auf. Langsam, leise ist der Ruderschlag. Behutsam bewegen auch wir uns durch die Natur.

Bald erreichen wir wieder den markierten Weg, zwischen den Baumstämmen tauchen Sölle, Erlenbrüche und kleine Moore auf. Was wir rechts von uns sehen, ist kein Urwald. In 200 Jahren soll das 590 Hektar große Welterbegebiet im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin wieder zu solch einen heranwachsen. Den Ausgang dieses Vorhabens werden wir nicht erleben. 75 % der Fläche Deutschlands wäre von Buchenwäldern übersät, gäbe es keine Menschen. Und auch hier sehen wir immer wieder von Menschenhand angepflanzte Kiefernwälder, die Erich Mielke als Jagdrevier dienten. Mielke haben wir den Fortbestand dieser schönen abwechslungsreichen Landschaft zu verdanken, als man manche Stellen trocken legen wollte. Mielke meinte, er liebe Wildschweine und diese wiederum lieben Moore, und damit wurde das Vorhaben begraben. Ab Mitte der 60er Jahre herrschte im sogenannten Staatsjagd-Gebiet Betretungsverbot, so dass sich hier auch sehr viel Altholz ansammeln konnte.

Grumsiner Wald, UckermarkGrumsiner Wald, Uckermark

Gleich würden wir mit einem Konzert überrascht, kündigt unser Naturführer an. Wer viel in dieser Gegend unterwegs ist, ahnt, wer die musikalische Begleitung übernehmen wird. In die monotonen Kuckuck-Rufe stimmt bald ein Trompeten ein, das eindeutig den Vögeln des Glücks zuzuordnen ist. Die Population der Kraniche habe sich seit den 90er Jahren vervierfacht. Viele fliegen nicht einmal im Herbst mehr gen Süden, sondern überwintern lieber hier.

Der Wald ist ein Bad für alle Sinne – der frische Duft für die Nase, das satte Grün für die Augen und die Konzerte der Vögel verwöhnen den abgestumpften Großstadtkörper und -geist. Tatsächlich gleicht die Wanderung einem erfrischenden Bad, würde nicht der Schweiß über meine Stirn rinnen. Bei 30 Grad erfrischt wohl mehr der Kopf, als der Körper.

Am Ende der kleinen Wanderung erreichen wir kurz vor dem Berliner Platz noch einen Ort, der einen besonderen Einfluss auf das Wachstum der Bäume haben soll. Schuld seien Wasseradern oder auch ein Bakterium. Manch ein Wanderer spürt hier eine besondere Energie. So gibt es Bäume mit seltsamen Verwurzelungen oder einen Baum mit einem Krebsgeschwür. Ungewohnt sei dies schon, meint Roland Schulz, ohne durchblicken zu lassen, welcher Begründung er am meisten Glauben schenkt.

Grumsiner Wald, Uckermark

Kräuterpicknick im Wald

Nun gilt es noch, einen Berg zu besteigen. Das eiszeitlich geprägte Oberflächenrelief mit Senken und Hügeln erinnert schon an ein Mittelgebirge. In der Uckermark mag der Berliner Berg durchaus herausragen, doch als Kind des Thüringer Waldes spüren meine Glieder die Anhöhe kaum. Noch einmal sehen wir die schöne Zweiteilung zwischen Kiefern und Buchen, als an einer Weggabelung Marina Delzer mit einem Kräuterpicknick im Wald auf uns wartet. Auch sie kämpft tapfer gegen die Mücken an. Doch bei dem Anblick der Speisen sind die Quälgeister schnell vergessen. Butter, Spargelsalat, Aufstriche und Limonaden sind mit Kräutern verfeinert und bieten ein wunderbares Geschmackserlebnis mitten im Wald, das wir nach der Wanderung sehr genießen.

Brennerei Grumsin, UckermarkBrennerei Grumsin, Uckermark

Abkühlen und Auftanken in der Grumsiner Brennerei

Unsere Wanderung endet in Altkünkendorf – einem beschaulichen Ort, der oft von den Hauptstädtern am Wochenende besucht wird, nicht nur wegen der schönen Wanderrouten. Inzwischen ist auch in Berlin die Grumsiner Brennerei bekannt und die Liköre und der Gin stehen selbst im KaDeWe in den Regalen. Thomas und Iris Blätterlein begrüßen uns mit einem Gin auf der Terrasse. Bevor sich dieser in den Kopf vorarbeitet, flüchten wir vor der Hitze in den kühlenden Keller der Brennerei. Hier lagern Whisky und Liköre.

Auch für die Brennerei dient die Umgebung mit der wunderschönen Natur als Inspirationsquelle. Denn neben dem Buchenwald erstrecken sich Offenflächen, auf denen Bauern Getreide anbauen und die von artenreichen Wildhecken umschlossen sind. Auf verlassenen Streuobstwiesen und versteckten Alleen finden sich längst vergessene Sorten. Die wiederum finden hier ihren Weg in die Weiterverarbeitung. Das war der Gedanke, den Thomas Blätterlein verfolgte, als er 2015 die Produktion aufnahm.

Inzwischen kann der interessierte Besucher auch an Gin Tastings, Likör-Seminaren und Destillateurkursen teilnehmen oder sogar seinen eigenen Likör herstellen.

Gut Kerkow, UckermarkGut Kerkow, Uckermark

Gut Kerkow und die ökologische Viehzucht

Ein weiterer Betrieb, der mit dem arbeitet, was ihm die Umgebung zur Verfügung stellt, liegt an diesem Tag auf unserer Strecke. Kühe grasen mit ihren Kälbern am Wegesrand auf der Weide. Ein Bild, das die großstädtische Fantasie der ländlichen Idylle antreibt. Natürlich dient die Aufzucht von Rindern einem Zweck, sei es dem der Milch- oder Fleischproduktion. Auf dem Gut begrüßt uns Herdenmanager Walter Tepel, der für den Tierbestand auf dem Gut verantwortlich ist. Er führt uns  über den Hof, der 2015 von den Partnern Sarah Wiener, Elenore Kaufhold und Jochen Beutgen erworben wurde, und erklärt dabei anschaulich, wie der Alltag auf dem Biohof aussieht, auf dem Futteranbau, Aufzucht, Schlachtung, Verarbeitung und Verkauf an einem Ort stattfindet.

Die männlichen Rinder stehen nach Alter aufgereiht im offenen Stall. Am Ende des Stalls reckt mir ein besonders zutraulicher Bulle seinen Schädel entgegen. Tepel meint, dieser sei am Freitag dran. Mit „dran“ meint er die Schlachtung, Warmschlachtung wohlgemerkt. Herr Tepel umsorgt den Bullen seit fast zwei Jahren. Älter als zwei Jahre sollte ein Bulle bei seiner Schlachtung nicht sein, da sich das Alter auch auf die Qualität des Fleisches auswirkt. Dennoch stellt sich mir in diesen Situationen immer wieder die Frage, wie man das kann. Für ein Tier zu sorgen, um es dann doch mit einem Bolzenschuss zu töten und dann auszubluten lassen, wobei es sich hiermit um eine stressfreiere Schlachtungsmethode handelt. „Es ist mein Job.“ antwortet er nüchtern auf meine hochemotionale Frage.

Ein paar Meter entfernt setzt die Natur die Geschichte des Lebenszyklus fort. Kühe stehen mit ihrem Nachwuchs im Stall und auf der Weide, sie haben selbst die Wahl, die Türen sind offen.
Ein Kalb steht auf wackeligen Beinen am Euter der Mutter, während diese gerade die Nachgeburt verspeist. Das Kalb sei erst in den frühen Morgenstunden geboren. 100 Muttertiere hat das Gut Kerkow aktuell, perspektivisch sollen es 200 werden. Milchkühe wurden abgeschafft, stattdessen setzt man nun ausschließlich auf die Fleischproduktion der besonderen Aberdeen-Angusrinder. Der Hauptmarkt hierfür liegt nur 80 km entfernt – in der Hauptstadt gibt es genug Nachfrage und die kann auch über Bestellung bedient werden. Doch viele Großstädter zieht es vor allem am Wochenende hinaus auf’s Land, auf’s Gut und auch in den Hofladen.Gut Kerkow, Uckermark

Auf Wiedersehen Uckermark

Die Thermometer-Anzeige schnellt auf 28 Grad, als ich am Abend den holprigen Weg über Altkünkendorf nehme. Noch einmal hüllt mich das dichte Blätterdach wohlig ein, als ich die Uckermark verlasse. Die angezeigten Straßenschäden sind ein Segen und zwingen mich zur Langsamkeit. Tempo rausnehmen, wo mich der Blick auf die Uhr doch hetzt. Bald werden Körper und Geist wieder die Geschwindigkeit der Großstadt annehmen, bis mich erneut die Wiesen, Wälder und Seen der Uckermark rufen und ich meinen Fuß vom Gaspedal nehme.

Gut Kerkow, Uckermark

Was man sonst noch wissen sollte?

Anreise:

  • Über Angermünde mit der Bahn (Linie RE 3). Vom Bahnhof Angermünde kommt Ihr mit dem BiberBus (Linie 496) von Anfang April bis Ende Oktober zwischen 9 und 17 Uhr stündlich direkt ins UNESCO-Weltnaturerbe Grumsiner Forst. Mit dem Brandenburg-Berlin-Ticket reist Ihr bis zu 5 Personen für 29 Euro besonders günstig in die Region. Es gilt auch im BiberBus.

Hotel:

  • Direkt am Bahnhof von Angermünde liegt deine historische Villa, in der sich das schöne Hotel 1912. Dieses überzeugt sowohl durch seine großen Zimmer und durchdachte Ausstattung als auch durch seine freundliche und sehr familiäre Betreuung. Das Frühstückbuffet besteht zudem vornehmlich aus regionalen Zutaten, die von den Gutshöfen der umliegenden Dörfern geliefert werden.

Führung im Weltnaturerbe Grumsiner Buchenwald:

Grumsiner Brennerei:

Gut Kerkow:

Kräuterwanderungen- und picknick

Naturführungen durch den Grumsiner Buchenwald

  • Naturführer Roland Schulz
  • Tourismus- und Informationsstützpunkt „Buchenwald Grumsin“ in Altkünkendorf (Altkünkendorfer Straße 20
    16278 Angermünde OT Altkünkendorf)
  • ausgeschriebene Wanderwege: um Altkünkendorf:
    Weltnaturerbe „Buchenwald Grumsin“ 10,3 km (gelbes Buchenblatt)
    Weltnaturerbe „Buchenwald Grumsin“ 21,5 km (weinrotes Buchenblatt)
    Urwaldpfad 10,5 km (oranges Buchenblatt)
    Wolletzsee-Rundweg (grüner Punkt)

Café:

Weiterlesen:

Ich wurde vom Tourismusverein Angermünde zu dieser Recherchereise eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.

 

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