Kulturschock. Ich quetsche mich durch eingeengte Gehwege zu meinem Hostel. Zahlreiche Straßenstände preisen Karnevalutensilien an. Was war geschehen in den vergangenen fünf Tagen? Ich erkenne die Küstenstadt Santa Marta nicht wieder. Alles ist in heller Aufregung und Begeisterung für den Karneval. Knallbunte T-Shirts, Masken, Pelucas werden angeboten. Diese kommerzielle Welt scheint nicht im Einklang mit der nur ca. 50 km östlich gelegenen Welt in der Sierra Nevada zu sein. Noch immer will mein Körper nicht zum Stehen kommen. Mein Kopf hingegen schon. Ich bin müde, fühle mich lost in the City.
Irgendwie habe ich mich immer um diese eine Sache herumgedrückt. Dieses Mal musste ich es aber einfach tun. Jeder tut es, der im Norden Kolumbien ernsthaft reist und noch ernsthafter etwas als Traveller auf sich hält. Also bin ich dieses Mal das kleine Projekt angegangen, das da heißt Ciudad Perdida, auch verlorene Stadt oder Lost City genannt. Die Indios hingegen nennen es Teyuna. Und in diese magische Welt begaben wir uns nun vor genau fünf Tagen, die Welt der Vorfahren der Kogis – der Indianer – mit der Hilfe von Magic Tours. Es hätte sicherlich auch ein anderer Touranbieter sein können, denn alle, denen wir auf der Wanderung begegneten, gingen den Trek hochprofessionell an. Hinter Santa Marta erhebt sich das weltweit höchste Küstengebirge – die Sierra Nevada de Santa Marta. Da wollten wir also rein, am Freitag, dem 1. Februar.
Ganz so schnell geht es jedoch nicht. Denn 9.15 Uhr Start heißt natürlich nicht, dass wir dann tatsächlich losfahren. Erst um 13.30 Uhr begaben wir uns wirklich auf den Trek zur Ciudad Perdida von Machete Pelao aus. Dazwischen lag noch das beschwerliche Einladen weiterer Passagiere und das Besorgen billigen Sprits in Guachaca – mit Dank an die „befreundeten“ Nachbarn. Der Schmuggel von Venezuela funktioniert. Die letzte Stunde von Guachaca nach Machete Pelao wurden wir mächtig durchgeschüttelt. Serpentinenartig schlängelte sich der unbefestigte, holprige Weg die Sierra Nevada hinauf durch üppige Natur und machte gleich Lust auf mehr. Die verging mir dann schlagartig, als wir in Machete Pelao ankamen. Denn unsere bis dahin geglaubte Gruppengröße von 11 Personen schwoll plötzlich auf 21 an. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Da bleibt vom Naturerlebnis nicht viel übrig, wenn man vor lauter Menschen kaum das Grün der Berge sieht. Später fanden wir raus, es hätte schlimmer kommen können. Denn am Nachbartisch im Restaurant unseres Startpunktes saßen sechs quieksende und schreiende amazing American Girls in Bikinitops, die sich von ihrem magic Erlebnis auf einem absoluten Adrenalinkick befanden. Lieber 21 gediegene Outdoor-Europäer, als nur sechs solcher Teeniegirls. Und so zogen wir in Großgruppendynamik los zum ersten Highlight der Tour.
Noch keine wirklichen abenteuerlichen Hürden passiert, erfreuten wir uns nur 30 Minuten nach dem Start auf fast ebener Strecke eines Bades im Rio Buritaca. Dass wir fünf Tage später so richtig nach diesem Ziel ächzen würden, war uns am ersten Tag noch nicht klar. Da war es einfach nur nice to have, aber kein must have. Die Schweizer in unserer Gruppe wohl ohnehin nicht an Wasser gewöhnt, ließen diesen Erholungspunkt aus und stürzten sich lieber gleich in den Hike mit den Worten „Das war doch noch nichts bisher, da brauchen wir noch keine Erfrischung.“ Sicherlich bereuten sie es wenige Minuten später, als wir in der nachmittäglichen Hitze die ersten steilen Hänge vor uns sahen. Da war mächtig Beißen angesagt. Der Blick für die wunderschönen Hänge Seite an Seite blieb immer mehr versperrt. Vielmehr entwickelte wohl jeder von uns eine Art Tunnelblick. Der Tunnel war der Weg, der einem ausgewaschenen Flussbett glich. Hier wollte ich in der Regenzeit definitiv nicht hochhecheln. Denn dann würde sich unter meine Schweißperlen sicherlich noch jede Menge Matsch mischen, der das Erlebnis zu einer Rutschpartie werden ließe. Die ungelenken Schritte mussten sich erst einmal an den sandigen und steinigen Boden gewöhnen. Kleine Erfrischungen machten den Aufstieg wieder erträglich. Mal schnitten unsere Guides Melonen- mal Organenscheiben. Trotzdem waren wir alle froh, als der erste Tag im Camp Alfredo nach ca. 8 km endete. Vier Stunden waren vom Startpunkt bis dahin vergangen.
Das riesige Camp war mit Hängematten, die eng an eng unter einem Dach hingen, ausgestattet. Und zudem warteten bereits einige andere Gruppen auch auf ihr Abendessen. So richtig wollte ich mich hier an der Tour noch nicht erfreuen. Das nächtliche Schnarchen, Schnattern und Husten tat sein übriges, so dass weder mein Körper noch mein Geist in der eingekeilten Hängematte zur Ruhe kamen. Um vier Uhr wurde es im Camp bereits wieder geschäftig. Frühstück wollte vorbereitet werden. Zudem waren einige unter uns wohl eins bisschen nervös aufgrund der Sanitärsituation und standen mit den Köchen bereits auf. Immerhin gab es überhaupt Duschen, so viel Komfort hatte ich gar nicht erwartet.
Der zweite Tag startete noch zu einer entspannten Uhrzeit. Um 8.15 Uhr setzte sich die Gruppe in Gang. Zwei unserer Schützlinge waren abhanden gekommen, da sie anstatt der gewöhnlichen 5 Tage die Ciudad Perdida in 4 Tagen abwanderten. Auch ich überlegte einen Moment. Machbar war das allemal. Aber irgendetwas verbarg sich ja hinter der Empfehlung, es lieber in Ruhe in sechs Tagen anzugehen. Der Preis kann nicht das Argument gewesen sein, denn der ist gleich. Wie am Vortag standen wieder ca. 8 km an, die in ca. 4 Stunden zu bewältigen waren. Auch heute ging es mal bergauf, mal bergab, mal eben weiter. Aber immer war der Weg aufgrund der Bodenbeschaffenheit eine Herausforderung. Ja nicht stolpern! Im Gebüsch suchte unser Guide Saul nach Tüten, die mit Snacks gefüllt waren und wohl zuvor von den Trägern (hier noch Esel) abgeworfen worden sein mussten. Ich war begeistert. Melonen, Ananas, Bananen. Heute mussten wir durch einen Fluss waden. In der Trockenzeit kein Problem. Im Gegenteil, gleich wurden die Badesachen herausgeholt und das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden.
Kurz vor dem Tagesziel passierten wir ein indigenes Dorf Mutanyi der Kogis, das aus Rundhütten bestand, deren Strohdächer mit zwei Spitzen versehen waren, die die zwei höchsten Gipfel der Sierra Nevada symbolisierten – Pico Bolívar und Pico Cristóbal. Die Kogis sind die Nachfahren der Teyunas, die einst die Ciudad Perdida erschaffen hatten. Sie leben noch immer in den Bergen der Sierra Nevada und genießen Sonderrechte. Sie benötigen keinen Ausweis, genießen kostenlose Gesundheitsversorgung und sind die Hüter und Herren des Gebietes, das wir nun durchschritten. Nur mit deren Erlaubnis dürfen überhaupt solche Touren durchgeführt werden. Dafür erhält die Kogigemeinde 40.000 Pesos pro Tourist. Von diesem Geld werden u.a. die Wege in Schuss gehalten. Und tatsächlich sehen wir einige Kogis auf dem Weg, die an den „Wanderwegen“ für die Touristen arbeiten und diese erhalten.
Welch ein seltsames Bild. Kogis machen sich angeblich nichts aus Geld. Doch immer wieder auf der Tour sehen wir, wie sie doch vom Tourismus leben und die Vorzüge genießen. Seien es auch nur kleine. Mal wird ihnen Geld zugesteckt, mal warten sie in den Camps auf die Essensreste der Touristen, die ihnen in Plastiktüten eingepackt werden. Geduldeter Tourismus findet hier statt. Ein anderer Weg von Minca kommend ist aktuell für den Tourismus gesperrt. Einzelne Kogigemeinden haben hier den Tourismus in ihrem Gebiet abgelehnt. Als wir das Dorf passieren, kommen die Kinder recht offen auf uns zu. „Dulce, dulce“ heißt es immer wieder. Wer Süßes dabei hat, ist herzlich willkommen. Kogis tragen weiße, lange Tunikas. Mädchen und Jungen unterscheiden sich in einem Detail – Jungen tragen eine Umhängetasche, in die auch sofort die Süßigkeiten verschwinden, denn Kogis teilen nicht. Mädchen hingegen tragen Ketten anstatt der Taschen. Einmal erwachsen, gibt es weitere Details. Männer tragen Stiefel, Frauen laufen barfuß. Zudem dürfen Männer über 17 Jahren Kokablätter kauen. Auch das bleibt Frauen verwehrt. Mit 17 wird ein Junge zum Mann. Er bekommt eine Kalabasse mit Muschelkalk. Dieser ist wichtig für die Kokamischung, die er von nun an fast ununterbrochen kaut. Die Spucke, die sich aus der Mischung von Koka und Kalk ergibt, wird mit einem Stock an den Rand der Kalabasse geschmiert. Nach ca. vier Monaten kann das einen Rand von ca. 1 kg Gewicht ergeben. Dann bekommt der Mann eine neue Kalabasse, einen neuen Poporo. Und Frauen? Nun ja, die dürfen Kinder bekommen und arbeiten. Nicht mehr und nicht weniger. Mit der ersten Regel werden sie vermählt und bekommen von da an Kinder bis sie nicht mehr können. Dann sucht sich der Mann eine neue Frau. Schamanen dürfen übrigens auch mehrere Frauen haben. Gehen die Eltern zum Arbeiten, passen die ältesten Geschwister zuhause auf die kleineren Kinder auf. Nur Babys nehmen die Eltern mit. Sie hängen diese in einem Tuch an den Baum. Egal ob es regnet oder Mücken attackieren – da hängen die Babys den ganzen Tag und müssen dadurch. Nur die Stärksten kommen durch, ist das Motto der Kogis. Zum Glück kommen bei uns nicht nur die Stärksten durch. Und so erreichen wir zur Mittagszeit unser zweites Camp La Cabaña Tezhumake.
Hier mussten wir nun einen halben Tag verbringen, aber viel gab die Umgebung hier nicht her. Unter dunklen Überdachungen befanden sich alle Sitz und Liegemöglichkeiten. Gemütlichkeit wird hier ganz klein geschrieben. Wir sind auch weniger zum Vergnügen hier. Die Lage dieses Camps in einem engen Tal brachte nicht mehr Licht in dieses dunkle Nest. Immerhin floss auch hier in der Nähe der Fluss vorbei und so gingen wir erst einmal baden. Ein weiteres Plus waren die Schlafplätze – ein kleines Meer an Doppelstockbetten war um die Essenstische drapiert. Immerhin liegt es sich darin besser. Am dritten Tag unserer Tour begaben wir uns auf ca. 800 m Höhe. Dies machte sich nicht nur durch die Anstiege bemerkbar, sondern ebenso an der abnehmenden Wassertemperatur des Flusses. Um 7.15 Uhr wanderten wir los. Wir verstanden die Eile zwar nicht, denn auch heute würden wir gegen Mittag im Camp 3 ankommen und dann nichts mehr zu tun haben, aber Saul (Guide) und Carlos (Übersetzer) begründeten dies mit dem zu erwartendem Regen und dem dann erschwerten Passieren der Flüsse. Und tatsächlich, nur eine viertle Stunde nach Start, standen wir vor einem Fluss. Noch vor wenigen Monaten hätte man diese Stelle in einem am Seil befestigten Käfig passieren müssen. Zum Glück kam ich erst jetzt. Eine komfortable Hängebrücke brachte uns an das andere Ufer. Doch nun ging das anspruchsvollere Stück los. 1,5 Stunden kraxelten wir über Steine und rutschigem Sand bergauf. Vorbei an einem 800 Jahre alten Baum, an einem riesigen Bambus und an zwei Hütten, die den Kogis für die Verarbeitung von Zuckerrohr dienten.
Wie froh waren wir alle, als wir endlich den Gipfel erreichten, auf dem sich ein Kiosk befand mit der Aufschrift „4 km to the Lost City“. Nun ja, etwas geschummelt ist das schon, aber zur Motivation dient das allemal. Beflügelt stiegen wir diesen Berg auf der anderen Seite wieder ab, bis wir wieder durch einen Fluss wadeten. Danach dauerte es noch 40 Minuten über Stock und Stein immer am Ufer entlang, bis wir das Camp Paraiso Teyuna erreichten. Zuvor noch ein kurzer Schreck, als direkt vor uns eine Korallenschlange unseren Weg kreuzte. Das Camp Paraiso Teyuna liegt 1 km unterhalb der Anlage der Ciudad Perdida. Wir waren also unserem Ziel schon verdammt nah, dass wir Adrenalin getrieben gern gleich durchmarschiert wären. Nun ja, ein Kilometer ist nicht gleich ein Kilometer. Hier besteht der Kilometer u.a. aus über 1200 weniger guten Stufen. Aber nicht das sollte das Hindernis sein, was uns noch einen Tag warten ließ, bis wir den Gipfel der Tour erreichten, sondern die aufziehenden Wolken. Und voilà, zwei Stunden später regnete es tatsächlich. Wer will schon drei Tage marschieren, um dann die verlorene Stadt im Nebel und Regen zu suchen? Also hieß es wieder, sich unterhalten, im Fluss baden gehen und die Zeit vertreiben. Zudem schlemmten wir uns durch den Tag, kleine Snacks, Popcorn, Kaffee. Das heißt es alles wieder abzuarbeiten. Inzwischen war auch unsere Gruppe weiter angewachsen. Zwei Holländerinnen und ein Ire hatten uns durch ihre viertägige Tour eingeholt, eine Kanadierin und ein Australier blieben von einer anderen Gruppe zurück und wurden in unsere integriert. Auch wenn letztere nicht von Magic Tours waren, unter den Touranbietern scheint ein kollegiales Verhältnis zu herrschen. Leider ließ der Regen nicht nach, aber Saul war sich sicher, morgens würde die Sonne wieder scheinen.
Ich wachte immer wieder in dieser Nacht auf, die wir heute in Zelten unter einer überdachten Fläche verbrachten. Noch immer prasselte der Regen und vermischte sich mit dem gewaltigen Rauschen des Rios. Unsere Gruppe war etwas angeheizt wurden durch eine andere, die morgens um 4 Uhr die Ciudad erklommen hatte, um den Sonnenaufgang von dort aus zu genießen. Doch es sollte erst um 5.30 Uhr sein, als uns Saul weckte. Der Regen ließ zum Glück etwas nach und verkam zu einem harmlosen Nieseln. Trotzdem war dieser morgendliche Aufstieg kein Zuckerschlecken. Der Weg am Rio entlang war matschig und die Steine glatt. Zunächst hieß es, den Rio Buritaca wieder zu durchqueren. Die Strömung war hier sehr stark, so dass man sich gut dagegenstemmen musste und durchaus die helfende Hand von Saul benötigte. Nach der Flussdurchquerung ging es sofort an diese besagten 1200 Stufen. Teilweise locker, teilweise Moos bewachsen und durch den nächtlichen Regen rutschig. Um 4 Uhr morgens hätte hier niemand mit Stirnlampe hinaufsteigen wollen. Immer wieder musste man sich mit den Händen abstützen. Und dann plötzlich – eine halbe Stunde später – erreichen wir die erste Plattform. Auf ca. 1200 m Höhe befinden sich terrassenförmig Plateaus mit den Fundamenten der Behausungen der Tairona-Indianer. Vier Anlagen gab es hier. Sie liegen an diesem Morgen mystisch vom Nebel umhüllt vor uns.
Je nach der Bewegung der Dunststreifen werden vor unserem Auge immer wieder Stücke freigelegt, als seien wir selbst die Entdecker. So schlecht der Nebel für die Fotogenität des Motivs ist, so wunderbar ist er doch für die Stimmung. Im 7-8 Jahrhundert erbauten die Kogis ihr Reich hier. Zunächst lebten sie am Meer und zogen sich später immer weiter in die Berge zurück. Besonders im Zuge der spanischen Invasion, die durch kriegerische Auseinandersetzungen und Krankheiten die Minimierung der Tairona-Indianer zur Folge hatte, zogen sich die übrig geblieben weiter in die Berge zurück. Erst Goldgräber sollten später die magischen Treppenstufen zu dem Reich der Taironas und der Lost City finden. Die Taironas verfügten über die größten Goldvorkommen seiner Zeit. Nachdem die Goldgräber die Hälfte der Goldvorkommen verhökert hatten, wanderten die übrigen Funde durch die Archäologen in die Goldmuseen Santa Martas und Bogotas. Vor wenigen Jahren forderten die Kogis die Goldgegenstände ihrer Vorfahren zurück. Die Regierung lehnte ab mit der Begründung, dass dann wieder Auseinandersetzungen folgen würden. Stattdessen beteiligte sie die Kogis am ökonomischen Erfolg durch den Tourismus.
Wir gingen zur Hauptplattform weiter, die als Zeremonieplatz genutzt wurde. Von hier aus führten die Queen’s Steps weiter nach oben, wo die kolumbianische Armee über das touristische Geschehen und unsere Sicherheit wacht. Alle vier Monate findet der Wechsel statt. Dementsprechend begeistert reagieren sie auf die weiblichen Besucherinnen unter uns. Die kolumbianische Armee zeigt sich von seiner besten Seite. Von weitem schon wird das Gewehr in Stellung gebracht, um als Fotomotiv interessant zu wirken. Sogar einen kleinen Verkaufsladen gibt es – mit Bier, Gatorade etc. Nur Wasser, das gibt es nicht. Wir laufen weiter zu der steinernen Terrasse, auf der sich auch zwei Kogi-Hütten befinden. Wenn Rituale hier oben abgehalten werden, dienen diese Hütten als Übernachtungsmöglichkeit. Ein weiterer Weg führt zu einer vierten Terrasse, die bereits entdeckt wurde. Doch der freigelegte Weg ist längst wieder zugewachsen und nur zu erahnen. El Tigre nennt man diese Plattform, die weitere Ausgrabungen und Freilegung erfordern würde. Doch an dieser Stelle sagten die Kogis NEIN. Sie sprachen sich gegen jegliche weitere archäologische Arbeiten hier aus. Alles sollte nun so bleiben, wie es bisher war. Und so blieb uns der Tiger unter den Plattformen verborgen unter dem Gestrüpp der Lost City. Der Abstieg von der ersten Plattform hinunter zum Rio Buritaca war eine größere Herausforderung als der Aufstieg. Seitlich arbeiteten wir uns nach unten vor, setzten Fuß für Fuß vorsichtig auf, um ja nicht die Glätte der Stufen zu spüren. Don’t be a domino! Das hieß, immer Abstand halten. Rutscht einer ab, fallen alle.
War es die Mühen wert, fragt man sich, nachdem man das Ziel dieser beschwerlichen Tour erreicht hatte. Das Setting war ähnlich wie das des Machu Picchus, nur weniger kommerziell aufbereitet. Mir gefiel es hier oben nicht wegen der zu besichtigen Mauerreste, sondern wegen der Atmosphäre. Wo ich vor drei Jahren auf dem berühmteren Pendant in Peru nahezu kein Foto ohne Touristenmassen schießen konnte und schon gar nicht einmal irgendwo allein war, um das Setting zu genießen, blieb hier viel Raum. Der Nebel zog immer wieder über die Ciudad Perdida hinweg und ließ die Mauerreste für einen Moment verschwinden, als sei alles nur ein Traum.
Beflügelt traten wir nach einer kurzen Stärkung im Camp drei den 8 km langen Rückweg zum Camp La Cabaña Tezhumake an. Jeder wanderte im eigenen Tempo, die Weg war uns nun ohnehin bekannt. Die Beine jedoch wurden schwerer und schwerer. Am nächsten Morgen standen wir um 5.30 Uhr auf, um uns nur eine Stunde später auf dem Weg zu machen. Heute verbanden wir die Märsche der Tage 1 und 2. Und wieder stiefelte jeder in seinem eigenen Tempo los. Die einen sahen es sportlich, die anderen genossen noch immer die Landschaft. Immer wieder begegneten wir Kogis und Soldaten der kolumbianischen Armee. Mit Mörser und Gewehren schleppten sie sich hoch hinauf in die Ciudad Perdida, um den Touristen ein sicheres Erlebnis zu bescheren. Wie verloren sie selbst aussahen, die 18-20 Jährigen in Uniform! Und immer wieder mit einem freundlichen Buenos Dias und mit dem letzten Lächeln für ein Foto bereit. Der Rückweg war anstrengender, als wir dachten. Aber auch kürzer. Gegen 11.30 Uhr waren wir bereits an der Badestelle des ersten Tages.
Eine Stunde später liefen wir in Machete Pelao ein. Fünf Tage lagen hinter uns. Unsere große Gruppe war uns schon etwas ans Herz gewachsen und auch Saul, der Guide, Carlos, der Übersetzer und Denise, die Köchin. Um 14 Uhr wurden wir in Machete Pelao wieder mit dem Jeep abgeholt. Dieses Mal fuhren zwei. Es sei aber egal, ob wir nach Taganga oder Santa Marta wollen. Wir waren diesbezüglich schon skeptisch. Später fanden wir heraus, weshalb wir uns gar nicht nach den Zielorten aufteilen mussten. Kurz vor Santa Marta hielt unser Jeep in Matoco und lief zu ein paar Taxen. Wir waren gespannt, vermuteten, dass die Minderheit der Tagangatouristen (zwei Holländerinnen) nun in ein Taxi umgesetzt werden würden, damit die Mehrheit (sieben Personen) ohne weitere Stopps nach Santa Marta fahren kann. Die kolumbianische Logik sagte aber hierzu „Pustekuchen“. So trotteten sieben Leute zu den Taxen und zwei fuhren mit dem komfortablen Jeep weiter. Unser Nummernschild endete mit einer 7 und heute ist einfach kein Tag für ungerade Zahlen!
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